Was agile Transformationen mit Fahrradfahren zu tun haben

Erkenntnisse von der Agile HR Conference 2020

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Lesedauer 6 Minuten

Bald geht die Agile HR Conference wieder an den Start. Dass es sich immer lohnt, dieser beizuwohnen, zeigen Vorträge von T-Systems International und Hettich Management Service aus 2020. Sie hatten sich mit ihrem Unternehmen beziehungsweise HR-Bereich in eine Transformation zu begeben. Und ihre Reiseberichte und Erkenntnisse sind auch für 2021 immer noch Gold wert.

Was agile Transformationen mit Fahrradfahren zu tun haben? So einiges – finden zumindest Jan Krellner, Senior Vice President Global Human Resources und Raihan Kleinmann, Tribe Lead Agile & New Work, die uns auf der Agilen HR Conference einen Einblick in die agile Transformation bei der T-Systems International GmbH ermöglicht haben.

Denn genau so, wie wohl den meisten von uns der Bewegungsablauf beim Fahrradfahren in Fleisch und Blut übergegangen ist, finden sich in unseren täglichen Formen des Zusammenarbeitens Muster, die wir so sehr verinnerlicht haben, dass wir sie häufig nicht mehr bewusst wahrnehmen. Doch – dessen sind Raihan und Jan sich sicher – nicht immer sind uns diese Muster dienlich. Nicht selten hindern sie uns sogar daran, unsere ureigenste Fähigkeit – die Fähigkeit zur Agilität – zu entfalten. Diese jedoch brauchen wir unbedingt, um in einer zunehmend schnelllebigeren Welt zu überleben. Wir kommen also nicht darum herum (und wollen es auch gar nicht), alte Muster zu brechen und neue zu erlernen.

Nicht nur Fahrradfahren verlernt man nicht

Nun stell Dir einmal vor, die Funktionsweise Deines geliebten Drahtesels würde sich von heute auf morgen ändern. Wie würde es Dir gelingen, Dich dennoch auf den Sattel zu schwingen, all das zu vergessen, was Du bisher über das Fahrradfahren gelernt hast und neu Radfahren zu lernen? Vielleicht kennst Du das Video eines solchen Versuchs, als Destin das mal ausprobiert hat. Es zeigt, dass nicht nur Rom nicht an einem Tag erbaut wurde. Und auch Raihan und Jan folgerten in ihrem Vortrag auf der Agile HR Conference 2020: Es braucht viel Durchhaltevermögen und Herzblut.

Denn alte Muster zu brechen, erfordert Einsatz und kann mitunter auch das ein oder andere aufgeschlagene Knie zur Folge haben.

Trotzdem: Wenn wir uns weiterhin von der Stelle bewegen wollen, müssen wir bereit sein, Gelerntes neu zu denken, auch bei Rückschlägen und kleineren Stürzen wieder aufzustehen, den Helm (Safety First ;)) gerade zu rücken und neu Anlauf zu nehmen.

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Die agile Transformation bei Hettich

Dass Veränderung mitunter anstrengend sein kann, erfuhr neben Jan und Raihan auch Lars Bohlmann, Leiter HR Management und Geschäftsführer bei der Hettich Group. Er erzählte auf der Agile HR Conference 2020 von dem Weg in eine HR-Organisation ohne Organigramme bei seinem Unternehmen. Wie gelingt es dennoch, unter Einsatz von Durchhaltevermögen und Herzblut ganz praktisch die agile Transformation zu begleiten und voranzutreiben? Da hilft ein Blick auf unser Pioneers Trafo-Modell. Es beschreibt sechs Dimensionen, in denen die Agilität von Organisationen gesteigert werden kann.

Kultur, Struktur und Strategie – das sind die drei Dimensionen, in denen der Veränderungsprozess bei Hettich im Bereich HR im Jahr 2018 begann und seitdem sukzessive mit weiteren Dimensionen wie HR-Instrumente und Führung erweitert wurde.

Drei wesentliche Phasen der Veränderung beschrieb Lars während seines Vortrags. Dabei ließ er uns an jeder Phase mit ihren eigenen Meilensteinen, Herausforderungen und Learnings teilhaben: In der ersten Phase der Veränderung stand im Bereich Strategie ganz oben auf der Tagesordnung, zum Mitmachen anzuregen und Beziehungen zu gestalten. In HR-Workshops wurde gemeinsam definiert: Was sind die HR-Kernprozesse und -themen bei Hettich? Ein klares Bild, wie eine neue Struktur aussehen kann, gab es in der ersten Veränderungsphase noch nicht, so Lars.

Was aber klar war: Steile Hierarchien, welche die Herausbildung von Netzwerken und starken Teamkulturen behindern, soll es definitiv nicht geben!

Kulturwandel à la Hettich

In der Dimension Kultur stand das Thema Augenhöhe im Fokus. Gezielte Musterbrecher-Aktionen setzten hierbei auch außerhalb von HR Impulse. Im Laufe der Veränderung kristallisierte sich heraus, dass in Teilen mehr Klarheit und Transparenz nötig sind. Dazu diente in der zweiten Phase der Veränderung ein strategisches Leitbild: Wo wollen wir hin? Wofür wollen wir stehen?

Eine Wertelandkarte für das HR-Netzwerk ermöglichte zudem, sich selbst kontinuierlich zu reflektieren, um eigene Stärken und Entwicklungsfelder aufzudecken.

Strukturell wurde das Thema „Orientierung“ verankert, indem operative Kernteams definiert wurden, die den Beteiligten eine Heimat geben. Daneben sind in temporär gebildeten Kompetenzkreisen alle Mitarbeiter*innen eingeladen, an Themen mitzuarbeiten, die sie begeistern. Auch außerhalb von HR. So treiben alle gemeinsam den Organisationswandel voran.

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Veränderung ist normal!

In der dritten Phase der Veränderung gelang es HR, das strategische Leitbild zunehmend zu schärfen und vom Management mehr und mehr als Begleiter und Impulsgeber des Organisationswandels wahrgenommen zu werden. „Veränderung ist normal“ ist mittlerweile angekommen in den HR-Köpfen, berichtete Lars. So wird zudem die Struktur auf Basis des strategischen Leitbilds geschärft und an den Themen der Zukunft ausgerichtet. Weitere Meilensteine, die HR hier für sich definiert hat: Setzen von Kulturimpulsen in die Organisation, die Anpassung von HR-Instrumenten und die Gestaltung der Führung der Zukunft.

So beschrieb Lars den Weg in eine HR-Organisation ohne Organigramme – die bei Hettich aus selbstorganisierten Teams besteht, welche durch eine ausgeprägte Teamkultur als Netzwerke wirken. Netzwerke zu formen, miteinander zu verknüpfen und zu befähigen – darum ging es im Kern der Transformationsreise bei T-Systems. Auf diese nahmen Jan Krellner und Raihan Kleinmann die Teilnehmenden mit.


Agile Transformation bei der T-Systems

Bei Beginn der Transformationsreise im Jahr 2017 war deutlich geworden: In der Organisation gibt es bereits einiges an Expertise und Bottom-Up-Initiativen im Bereich Agilität. Was fehlte, war die Verknüpfung der Wissensknoten, so Raihan und Jan. Daher definierte HR für sich als Aufgabe in der Transformation die Verknüpfung der einzelnen Knoten, um so ein übergreifendes Netzwerk zu bilden. Dabei gab es keinen strikten Plan, betonten Raihan und Jan. Die leitgebende Vision lautete: „Wir arbeiten mit der Kraft des Netzwerks, der Expert*innen, gehen iterativ vor und arbeiten in Piloten. Dabei orientieren wir uns an agilen Werten.“

Somit wurde in Zusammenarbeit mit zwei Pilotbereichen, die in der Organisation bereits Pionierarbeit im Bereich agile Methoden und agiles Mindset geleistet hatten, ein Change-Ansatz aufgebaut. Mit dessen Hilfe kann das Wissen im Netzwerk gestreut werden. Die Rolle von HR bestand dabei vor allem darin, die Expertise für Veränderungsprozesse einzugießen, berichteten Jan und Raihan. In diesem Zusammenhang entstand das Lieblingsprojekt von Jan: der „Agile Pocket Guide“. Das ist ein Booklet, das grundlegende Begriffe und Prinzipien im Zusammenhang mit Agilität in kompakter Form zusammenfasst und in der Organisation wie außerhalb nach wie vor auf große Nachfrage stößt. Den Agile Pocket Guide gibt es hier für Dich zum Herunterladen und Reinschmökern.

Zudem wurden „Agile Power Teams“, bestehend aus 4-6 Personen, gebildet, die in den Einheiten bei T-Systems die agile Transformation vor Ort vorantreiben. In Zusammenarbeit mit den HR Pioneers wurden außerdem die „Agile Pit Stops“ entwickelt. Diese dienen zur Reifegradanalyse, um in den Einheiten den agilen Reifegrad und den Transformationsbedarf herauszufiltern. Auf unserer Website haben wir für Dich einen ersten Schnellcheck bereitgestellt, durch den Du eine erste Einschätzung erlangen kannst, auf welchem Reifegrad sich Deine Organisation momentan befindet.

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Drei Learnings zur agilen Transformation

Welche drei Key-Learnings gaben die drei Vortragenden den Teilnehmenden der Agile HR Conference 2020 aus ihrer agilen Transformationsreise mit auf den Weg?

Learning 1: Such Dir Mitstreiter*innen

Darin waren sich Lars, Raihan und Jan (und ich ;)) offensichtlich einig: Bei jeder Transformation geht es vor allem um Menschen und die Gestaltung der Beziehungsebenen zwischen diesen. Damit ist das Thema zwar bei HR ganz gut aufgehoben – was aber nicht heißt, dass HR die agile Transformation alleine wuppen kann/sollte.

So teilten sich die drei Vortragenden auch diesbezüglich eine Meinung und würden mir wohl zustimmen, wenn ich zusammenfasse: Multiplikator*innen, Mitstreiter*innen, Kompliz*innen, Initalzünder*innen, Power Teams oder wie auch immer Du es nennen magst:

Ohne Gleichgesinnte klappt es nicht. Du brauchst Menschen, die auch außerhalb von HR vorangehen, wenn es darum geht, Muster zu brechen, kulturelle Impulse zu setzen und mit der eigenen Kraft und Expertise die agile Transformation voranzutreiben. Besonders die Rückendeckung durch das obere Management kann erfolgskritisch für Deine Transformation sein, merkten Raihan und Jan an.

Learning 2: Change ist nicht planbar

Bei Deiner agilen Transformation geht es nicht darum, einen strikten Fahrplan zu haben, betonten alle drei Vortragenden. Denn „Change ist nicht planbar“, berichtete Lars aus seinen Erfahrungen.

Wie kann man sich dennoch orientieren?

Agile Werte und Prinzipien, die beispielsweise in Wertelandkarten festgehalten werden, und ein Leitbild, das Transparenz und Klarheit schafft, können hilfreiche Orientierungspunkte während der Transformation sein, rät Lars.

Learning 3: HR als Katalysator: „Start Small but Start!”

HR kann als Katalysator wirken, erklärten Jan und Raihan, der als Treiber der Transformation agiert, als Experte für Veränderungsprozesse auftritt sowie Freiräume und Impulse in die Organisation setzt. Auch Lars berichtete, dass bei Hettich bereits in der ersten Transformationsphase HR-seitig klare Signale in die Organisation gesendet worden waren, um auch außerhalb von HR die Transformation voranzutreiben. So wurden etwa Urlaubsgenehmigungsworkflows und individuelle Zielvereinbarungen abgeschafft.

Welches Key-Learning Lars dabei gesammelt hat?

Es geht darum, einfach mal zu machen, einfach mal auszuprobieren und zu schauen, was passiert, sagte er. Dem stimmten auch Jan und Raihan zu, die als wichtigstes Learning ihrer agilen Transformation formulieren: “Start small but start!“.

In diesem Sinne: Rauf auf den Sattel, Anlauf nehmen und Fahrt aufnehmen!

Weitere Inspirationen für Deine Transformation gibt es auf der Agile HR Conference 2021. Unter anderem in einem Vortrag zur empirischen Überprüfung des Pioneers Trafo-Modell. Tickets wie immer: hier.


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