Leading into the future – Führung ist Resonanz

Ein Beitrag von Marcus Minzlaff und Esther Römer

Führung ist Resonanz – Titelbild
Lesedauer 6 Minuten

(Bildquelle: Marko Zirdum, pexels.com)

Führungskräfte müssen erfolgreiche Manager sein, eine Vorbildfunktion einnehmen, sie sollen gut zuhören können, motivieren, dienen, sagen, was Sache ist, Verantwortung übernehmen, wissen, wann sie in Führung gehen und wann sie sich zurücknehmen, Fokus haben, Fachexpert:innen sein, Komplexität managen, Ergebnisse liefern, ihre Stakeholder glücklich machen und, und, und. Wer jetzt noch nicht in Schnappatmung verfallen ist, herzlichen Glückwunsch, Du scheinst eine perfekte Führungskraft zu sein!

Von all diesen Anforderungen schwirrt uns zumindest der Kopf. Auch bei unseren Kund:innen spüren wir steigende Verunsicherung ob der eigenen Führungsrolle. Und selbst im eigenen Unternehmen, also bei uns HR Pioneers, verunsichert diese hohe Erwartungshaltung an die Rolle manchmal sehr.

Und dann bricht da auch noch eine Menge im Außen über uns hinein: Kaum eine Branche, die nicht im Umbruch ist, wirtschaftlicher Druck ist immens, Innovationen sind mehr denn je gefordert. Gleichzeitig entsteht an vielen Stellen eine neue Art des Wirtschaftens, auf gesamtwirtschaftlicher Ebene – Stichwort Donut Ökonomie – und auf Unternehmensebene mit vielen innovativen Geschäftsmodellen. Dabei ist die Unsicherheit riesig und auch hier die Erwartungshaltung an Führungskräfte immens.

Zeit, Führung neu zu betrachten. Wir haben dafür unsere Nasen in den Wind gehalten, Marcus hat sich aufs Tanzparkett gewagt, um zu hinterfragen: Was ist es eigentlich, was Führung ausmacht? Ein Gedankenexperiment mit handfesten, potenziell weitreichenden Auswirkungen, wie wir festgestellt haben. Davon ausgehend haben wir unsere Leadership-Thesen verfasst, in denen wir Führung „weiterdenken“. Mit diesen Thesen wollen wir Euch Führungskräften Mut machen, um alternative Ansätze für Führung zuzulassen – und auch einige praktische Impulse an die Hand geben.

Tango – ein Lehrmeister für „dance into the future“

„Der Herr führt, die Dame folgt.“ Daran hat die Tanzlehrerin keinen Zweifel aufkommen lassen. Ich war gerade mit meiner Ehefrau in die nächste Etappe unseres Tanzkurses gestartet. Argentinischer Tango. Es gibt keine festgelegte Schrittfolge, alles geschieht aus dem Moment heraus. Kein Entrinnen möglich, dass meine Frau schon wissen könnte, wie die nächsten Schritte sein sollen. Ich fühle mich ein in die Musik und gebe also einen Impuls nach dem anderen. Ist dies Führung? Was wäre, wenn meine Frau die Impulse nicht aufgreift und in entsprechende Schritte umsetzt? Kein Tango und ganz sicher auch keine Führung. Sondern wirkungslose Impulse. Wenn sie aber die Impulse aufgreift und wir uns im Einklang über das Parkett bewegen – dann ist offensichtlich in irgendeiner Weise Führung entstanden. Ist es also eigentlich sie, die führt, ihre Reaktion, die bestimmt? Denn das hat in jedem Fall großen Einfluss auf meinen nächsten Impuls.

 

Es scheint, dass Führung weder nur das ist, was ich tue, noch was sie tut. Auch nicht nur die Summe aus beidem. Sondern etwas, was zwischen uns entsteht. Eine Resonanz auf die Musik, meine Impulse, ihre Reaktion und meine Reaktion wiederum darauf.

 


Es herrscht eine zu enge Sichtweise von Führung vor

 

In derart turbulenten Zeiten brauchen Menschen Führung. Also schauen die Unternehmen viel darauf, wie sie Führung organisieren. Führen verteilte Führungsrollen ein. Skizzieren und gewichten neue Aufgabenfelder und erforderliche Kompetenzen. Designen Leadership-Development-Programme. Der Dreh- und Angelpunkt dabei: die Führungskräfte. Es wird überlegt, was sie tun und lassen sollen. Diskutiert, wie sie zu agieren haben und wie sie sich entwickeln sollen. Ach ja, nicht zu vergessen: aus welcher Haltung heraus sie zu handeln haben. Das Mindset muss sich natürlich auch ändern …

Ähnlich verhält sich das aus Sicht der Führungskräfte: Sie geben Impulse in die Organisation – und sind darauf angewiesen, dass andere ihnen folgen. „Wie kriege ich alle mitgenommen?“ ist eine der häufigsten und drängendsten Fragen, die aufkommt, wenn wir mit Führungskräften in Workshops sind. Folgerichtig machen sich viele von ihnen (meist) Gedanken, wann sie wie welche Impulse setzen.

Alle diese Überlegungen sind sicherlich nicht verkehrt. Aber eine zu enge Sichtweise. Führung ist unserer Meinung nach ein Resonanzphänomen zwischen mindestens einer Person, die etwas entscheidet, und mindestens einer anderen, die in irgendeiner Weise darauf eingeht.

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(Foto: Pawel Czerwinski, unsplash.com)

 

Führung entsteht also aus sich gegenseitig beeinflussenden Entscheidungen von mindestens zwei Personen (nie allein)So wie es auch beim Tango der Fall ist.

Ein komplexes Zusammenspiel von vielen Elementen

Unbestritten ist Führung auch eine individuelle Aufgabe – aber eben nicht nur. Schon gar nicht nur von in einer Hierarchie benannten Führungskräften oder „denen da oben“.
Meist sind es viele beteiligte Personen – und weitere Elemente – die auf Entscheidungen wechselseitig Einfluss nehmen: Mitarbeitende, Führungskräfte und deren Führungskräfte, Kunden, Lieferanten, Mitbewerber. (So weit, so klassisch.) Regulatorische Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Entwicklungen und Wertvorstellungen natürlich auch. Der Zustand unserer Ökosysteme. Ein Virus …

So ist Führung ein komplexes Zusammenspiel von vielen Elementen, die miteinander in Resonanz gehen. Wenn wir wirkungsvolle Führung demnach in Zeiten tiefgreifender Veränderungen gestalten wollen und uns dabei nur auf die Verteilung von Führungsrollen und die Aktivitäten, Kompetenzen und Haltungen der Führungskräfte konzentrieren, springen wir viel zu kurz.

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Führung aus vier Perspektiven betrachtet

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(Foto: Pete-Alexopoulos, unsplash.com)

 

Welche Inspiration und potenziell wirksame Ansätze bietet Führung bei Fragen wie zum Beispiel diesen:

  • Wie „nehmen wir alle mit“?
  • Wie sorgen wir für Verantwortungsübernahme bei unseren Mitarbeitenden?
  • Wie verändern wir Haltung?
  • Wie stellen wir sicher, dass wir uns gemeinsam in eine Richtung bewegen?
  • Und wie finden wir die „richtige“ Richtung heraus?
  • Welche Führungsinstrumente brauchen wir – „Instrument“ dabei mal ganz anders gedacht?
  • Wie heißt das für unsere eigene Führungskräfte-Entwicklung?
  • Wie begeistere ich andere für meine Ziele?

Darauf gehen wir im Laufe unserer nächsten Beiträge ein.

 

Dabei betten wir unsere Thesen in das AQAL-Modell nach Ken Wilber ein. AQAL steht für „all quadrants all levels“. In seinem integralen Ansatz geht Ken Wilber davon aus, dass alles Lebendige ein Innen und Außen hat und dass es eine individuelle und kollektive Betrachtungsweise gibt. Innen und außen, individuell und kollektiv … – daraus ergibt sich eine Matrix, die vier Perspektiven bietet. Manche sprechen auch von Dimensionen des Lebens. Wir übertragen diese Matrix auf Menschen in Organisationen und betrachten Führung somit aus vier verschiedenen Blickwinkeln. Wichtig dabei: Alle vier Dimensionen sind gleichwertig und stehen in Wechselwirkung zueinander.

AQAL-Modell nach Ken Wilber

AQAL MODELL Fuehrungsthesen(Quelle: Breidenbach, Joana und Rollow, Bettina (2019) New Work needs Inner Work)

 

Mit unserer ersten These „Haltung entscheidet – nicht“ fangen wir im oberen linken Quadranten an und beschäftigen uns mit der inneren Perspektive und dem Individuum.

In der zweiten These „Mehr spüren – weniger führen“ beleuchten wir vor allem Fähigkeiten und damit den Quadranten rechts oben (Individuum und Außen)

In der dritten These „Führung ist die Befähigung eines Systems“ wandern wir in den unteren rechten Quadranten (Außen und Kollektiv) und die Rahmenbedingungen der Organisation.

Und in der vierten These „Führung über den Tellerrand der Organisation hinaus“ geht es uns um das Selbstverständnis von Organisationen. Wir schließen mit diesem Blick auf das Innere des Kollektivs im vierten Quadranten links unten ab.

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(Foto: Hadija Saidi, unsplash.com)

Wir freuen uns auf eine Gedankenreise mit Dir und wünschen uns regen Diskurs! Nur so gelangen wir gemeinsam zu weiteren Erkenntnissen, die uns helfen, die spannende Zukunft zu meistern. Unserer ersten These wurde am 21. März auf LinkedIn und in unserem Blog gepostet.

Marcus und Esther

 

In unseren Thesen greifen wir auf folgende Quellen zurück:

Wir danken ganz besonders (und nicht ausschließlich) für Inspirationen von Doc Childre & Howard Martin, Joana Breidenbach und Bettina Rollow mit „New Work needs Inner Work”, Gerald Hüther mit seinen Überlegungen zu Resonanz, Joseph Jaworski, Fréderic Laloux, Martin Permantier mit „Haltung entscheidet“, Kate Raworth und dem von ihr ins Leben gerufenen Modell der Donut Economy. Wir sind inspiriert von Impulsen durch Otto Scharmer, Anjet Sekkat mit „Partnerschaft Reloaded“, Ken Wilber, dem Vater des AQAL-Modells, Christine Wank, Christiane Windhausen und Birgit-Rita Reifferscheidt.


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