Agiles Arbeiten im Flut-Katastrophengebiet

Daniela Wendling erlebt Agilität und Solidarität

Danke für die Hilfe
Lesedauer 3 Minuten

Für Pionierin Daniela Wendling war nach der Flut im Ahrtal klar: Sie muss da hin, um zu helfen. Vor Ort ist sie mit apokalyptischen Eindrücken konfrontiert, erlebt aber auch Agilität im Reinformat. Über Eimerketten und das Cynefin-Modell.

„Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Was dieser Satz, der im Zusammenhang mit Agilität immer wieder zu hören ist, bedeutet, habe ich noch nie so deutlich gespürt, wie bei meiner Helferinnentätigkeit in der Flutkatastrophe im Ahrtal. Keine Sensationslust, sondern ein starkes Bedürfnis zu helfen haben mich – wie tausende weitere Menschen – in die Region getrieben, in der die gewaltige Flut Mitte Juli Zerstörung, Schlamm, Schutt und persönliche Schicksale hinterlassen hat. Was ich dort erlebt habe und weiterhin erlebe, ist in Worten nicht zu beschreiben. Es erinnert an Bilder von Krieg, erscheint wie eine Apokalypse, geht an die Substanz.

Dani Ganzkoerper

Einfach machen: Eimerketten und Helfer:innen-Shuttles

Gleichzeitig sind es überwältigende positive Eindrücke, die ich erfahren darf: Menschen aus ganz Deutschland kommen zusammen, um mit anzupacken. Ich habe Gemeinschaft und Solidarität in dieser Intensität noch nie zuvor so stark erlebt, wie dort im verwüsteten Ahrtal – gerade in den ersten Tagen nach der Flut.

Teils völlig fremde Menschen arbeiteten Seite an Seite, bildeten Eimerketten, um Schlamm und Schutt abzutransportieren. Bildeten Facebook-Gruppen und erstellten Helfer:innen-Websites, um Hilfsangebote und Helfer:innengesuche zusammenzubringen. Nicht zuletzt zu erwähnen ist der Helfer:innen-Shuttle mitsamt Versorgungszentrum, den zwei Unternehmer in Windeseile ehrenamtlich ins Leben gerufen haben, um freiwillige Helfer:innen ins Ahrtal zu bringen. Und der Monate nach der Flut immer noch täglich fast tausend Menschen in das Katastrophengebiet fährt.

Wie im Cynefin-Modell: Intuitiv iterative Hilfe

Helfen, ohne lange zu überlegen. Einfach machen, wie beim agilen Arbeiten auch: Das war gerade in den ersten Tagen nach der Flutkatastrophe genau die richtige „Strategie“. Der Bezug zum agilen Arbeiten ist mir immer wieder aufgefallen. Und es hat sich für mich gezeigt, wie sehr sich das Cynefin-Modell von Dave Snowden bewahrheitet. Dieses beschreibt vier unterschiedliche Lebenswelten: die einfache, die komplizierte, die komplexe und die chaotische.

Während wir lange Zeit in einfachen und komplizierten Systemen gearbeitet haben, sind wir mittlerweile in der komplexen Lebenswelt angekommen, in der beobachtet und ausprobiert wird. Wird es chaotisch wie durch die Flut, muss schnell und entschlossen gehandelt werden, um das System zu stabilisieren und in eine komplexe Lebenswelt zu führen.

Genau das haben all die freiwillig Helfenden gemacht. Ganz intuitiv sind sie iterativ vorgegangen und haben ausprobiert, was im zusammengewürfelten Team für die jeweilige Aufgabe im Hilfseinsatz am besten funktioniert.

Cynefin Modell

Bildquelle: scalamento

 

Menschen suchen nach einer sinnvollen Aufgabe

In komplexen Situationen ist Agilität der richtige Weg. Wie oft habe ich das als Trainerin und Coach vermittelt! Bei meiner Hilfstätigkeit im Ahrtal wurde der Ausspruch mitsamt dem Cynefin-Modell lebendig wie nie. So war und ist diese Zeit der freiwilligen Hilfe ein großer persönlicher Mehrwert für mich – abgesehen von dem Vertrauen der Betroffenen und dem befriedigenden Gefühl, etwas zum Wiederaufbau beizutragen.

Letzteres war im Übrigen für die meisten Menschen vor Ort der Grund, die ganzen Strapazen auf sich zu nehmen. Sei es eine lange Anreise oder das Opfern des eigenen Urlaubs. Es bestätigt sich einmal mehr – aber dies mit aller Deutlichkeit: Menschen suchen nach einer sinnvollen Aufgabe. Etwas, wo sie etwas bewirken können.

Ist dies gegeben, ist auch die Motivation groß. Für das Gefühl, gebraucht zu werden, nehmen sie viel in Kauf. Denn selbst hohe Gesundheitsrisiken durch den im Flutgebiet kontaminierten Boden haben die tausenden Helfer:innen nicht abgeschreckt, mit anzupacken.

Hier erfährst Du mehr über das Helfer:innen-Shuttle.


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