35 Tipps für Deine Moderation

Jenni gibt 5 x 7 Tipps und Tricks

Jennifer Rolle Moderation
Lesedauer 24 Minuten

Moderation liegt nicht jedem Menschen – aber sie wird immer wichtiger, wenn wir gut zusammenarbeiten und effiziente Meetings abhalten wollen. Jenni gibt 5 x 7 Tipps und Tricks preis, wie es geht.

Mit passablen Arbeitsmaterialien fängt es an!

1. Tische, Barrieren, Stuhlreihen weg!

Leider sind viele Meetingräume in Unternehmen nach sehr klassischen Prinzipien konzipiert. Oft steht in der Mitte ein riesiger Tisch, den man nicht verrücken oder ohne weiteres auseinanderbauen und beiseiteschaffen kann. Oder es gibt festgeschraubte Stuhlreihen. Manchmal finde ich Stühle vor, die extrem ausladend sind und Distanz schaffen bzw. viel Platz wegnehmen. Oder die Räume sind für Teammeetings schlichtweg zu klein.

Nimm das nicht so hin und tu es als irrelevant ab! – Insbesondere, da kollaboratives Arbeiten ein wesentliches Merkmal von agilem Arbeiten ist und Meetings und Workshops zum Tagwerk dazugehören. Gerade in Teams, die noch nicht richtig warm miteinander geworden sind, kannst Du einen enormen atmosphärischen Unterschied erreichen, wenn Du zumindest mal dafür sorgst, dass alle im Kreis sitzen und jeder jede, ohne sich verrenken zu müssen, sehen kann.

Im besten Fall kannst Du wenigstens einen der Besprechungsräume annektieren und dauerhaft von seinen Tischen befreien. Das gibt insbesondere in Retrospektiven noch einmal einen zusätzlichen Schub in Sachen flexibles und kollaboratives Arbeiten. Es entstehen Energie, Nähe und Miteinander. Den Teilnehmern wird es leichter gemacht, sich zu beteiligen und Du kannst alle besser im Blick behalten. – Klingt vielleicht esoterisch, aber selbst ich, die ich sonst nicht so empathisch bin, merke einen deutlichen Unterschied in der Zusammenarbeit.
HRP Raum 005

2. Her mit Medien und Materialien, die kollaboratives Arbeiten fördern!

Ich kenne Meetingräume, die eher wie ein Wohnzimmer eingerichtet sind und gar keine Medienausstattung haben. Stiltapeten, Bilder und Lampen an den Wänden verhindern das Aufhängen von Visualisierungen. Dann kenne ich Meetingräume, die maximal einen Bildschirm oder Beamer haben, aber keine Pinnwände, Flip-Charts oder Whiteboards. Und wenn man nach einem Moderationskoffer sucht, dann gibt es noch einen irgendwo eingestaubt in der hintersten Ecke. Öffnet man ihn, schlägt einem das blanke Chaos von Notmitteln entgegen, mit denen man keinen Workshop bestreiten kann.

Stifte sind immer die größte Mangelware. Ich frage mich manchmal, ob die Verantwortlichen glauben, dass es mit der einmaligen Anschaffung eines Moderationskoffers getan sei? Das wäre ja so, als wenn man erwarten würde, dass man nur einmal in seinem Leben Brot und Butter kaufen müsste …

Also bestell rollbare Flip-Chart-Ständer, Pinnwände oder Whiteboards (hier gilt leider: wer billig kauft, ärgert sich den Rest der Zeit). Leg Dir ein Lager mit den Verbrauchsmaterialien an, v. a.:

  • Flip-Chart-Papier (am besten mit nicht so stark sichtbaren Kästchen, und wenn Du bemalte Charts wiederverwenden willst, dann schaff lieber Papier ohne Perforation an)
  • gegebenenfalls Pinnwandpapier und Pinnnadeln
  • stapelweise Moderationskarten oder noch besser die großen Post-Its Super Sticky Notes in DIN A5 und A6
  • viele runde, schwarze Flip-Chart-Marker für die Teilnehmer (oder gegebenenfalls Whiteboardmarker, aber Achtung: Mit den meisten Whiteboardmarkern kann man und sollte man NICHT auf Papier schreiben)
  • Eddings mit Keil-Spitze in den 4 Hauptfarben für Dich (schwarz, blau, grün, rot)
  • Kreppband
  • Timetimer
  • vielleicht unsere „Pioneers Navigator“-Karten zur Unterstützung der Meetingdisziplin
  • gegebenenfalls noch Klebepunkte, aber notfalls kann man auch mit einem Stift punkten

Pioneers Navigator 4

3. Visualisierung sollte man lesen können

Im agilen Kontext haben sich die viel praktischeren, wenn auch farblich schrecklichen, in einem unpraktischen Format gestalteten und total überteuerten Post-Its im Gegensatz zu den klassischen Moderationskarten durchgesetzt. Nun erlebe ich es leider sehr häufig, dass Teams die kleinen Post-Its, die als Notizzettel für den Schreibtisch dienen, in ihren Retrospektiven und anderen Workshops zur Visualisierung nutzen. Vielleicht gerade auch wegen des Preises oder weil die Einkaufsabteilung die DIN A5- und DIN A6-Postits noch nicht in ihrer Liste hat. Und da diese so klein sind, schreibt man darauf mit Kugelschreiber oder mit einem Fineliner. Wenn dann alles an die Wand geklebt ist und das Team wieder in seinem Stuhlkreis (hoffentlich) sitzt, erkennt man vielleicht ein schönes Muster. Aber man kann nichts mehr lesen und damit verfehlt die Visualisierung komplett ihren Zweck. Wir machen das Ganze ja, damit es die Aufmerksamkeit fokussiert, Wiederholungen vermieden werden, Orientierung gibt usw.

Also beiß in den sauren Apfel und investiere in die großen Post-Its Super Sticky Notes (die kleben auch besser) oder nutze die klassischen Moderationskarten, die es in jedem Moderationskoffer gibt.

Was dazu auch noch wichtig zu sagen ist: Wenn Du großer Post-Its habhaft werden konntest, bringen die es nur, wenn Du auch Stifte austeilst, die dick genug schreiben, dass man die Schrift aus der Entfernung lesen kann. Hier haben sich Flip-Chart-Marker mit runder Spitze für die Teilnehmer bewährt. Und dann, bitte, bitte, auch zum Wohle eines lesbaren Fotoprotokolls: Immer nur in schwarz oder dunkelblau schreiben (lassen). Rot und grün sind NUR für Hervorhebungen. Du kannst ja mal versuchen, rote Schrift auf einem rosa Post-It im Fotoprotokoll lesbar zu machen … viel Spaß! Ganz zu schweigen davon, dass es schon im Workshop schwerer zu lesen ist und wieder eher ein chaotisch wirkendes Bild in der Visualisierung erzeugt.

4. Post-Its und Moderationskarten haben extra unterschiedliche Farben, Formen und Größen

Manche Fotoprotokolle, die ich sehe, wirken wie ein buntes, chaotisches Meer aus Papier. Das liegt daran, dass der Moderator den Teilnehmerinnen einfach irgendwelche Post-It-Blöcke gegeben hat, die noch da waren. Der eine schreibt auf rosa, die andere auf gelb und grün, der nächste nutzt große Post-Its, die andere Kollegin kleine usw. Dann wird alles an die Wand gebracht und thematisch sortiert. Damit lässt Du als Moderator aber die strukturierende Möglichkeit von Farben und Formen ungenutzt liegen, ganz abgesehen von dem chaotischen Eindruck für das Auge, das es schwerer hat, sich zurechtzufinden.

Gleiche Farbe und Form bedeuten gleicher Sinnzusammenhang. So erhalten z. B. Stories ein großes Post-It, Tasks werden auf kleinen Post-Its geschrieben, man kann Positivaspekte auf grün, Dankesbekundungen auf gelb und Verbesserungsaspekte auf rosa abfragen. – Auf diese Weise bleibt auch die Herkunft erkennbar, selbst wenn man im nächsten Schritt alles miteinander clustert. Bei der Analyse kann man besser einordnen, wie ein Beitrag gemeint war.
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5. Visualisieren hat nichts mit Dekorieren zu tun

Manchmal sehe ich bei Trainern und Moderatoren mega schön gestaltete Flip-Charts: Da wird eine Pyramide für ein Thema angemalt, die steht in einer Wüste, hinten links gibt es eine Oase mit Palmen, im Bildvordergrund kriecht eine kleine Schnecke durch das Bild, die Sonne scheint, blauer Himmel, vorbeifliegende Vögel … merkt Ihr, was hier gerade passiert? Genau! Man ist total begeistert und verloren in der Visualisierung – und schwupps sind fünf Minuten um, in denen man gar nicht zugehört hat.

Ich bin ebenfalls kein Fan von diesen wunderschönen Umrahmungen mit Schatten, bannerartig umrahmten Überschriften und kunstvoll gezeichneten Strichmännchen und Symbolen, die die ganze Gruppe in Bewunderung versetzen, aber ihre Aufmerksamkeit vom Thema des Meetings hin zu „Wie hat sie das nur gemacht?“ oder „Ich wünschte, ich könnte so gerade Linien zeichnen …“ lenken. So hatten wir mal einen neuen Kollegen zu einer Scrum-Master-Schulung geschickt und alles, was er uns anschließend erzählte (mit großer Begeisterung), war, mit welchem Geschick und Sinn für’s Detail der Trainer seine Flip-Charts nach dieser Methode konstruiert und bebildert hat. Obwohl ich viel für Ästhetik übrig habe, empfinde ich diese Form der Visualisierung zumindest in Meetings eher als ablenkend. Und wenn die Gruppe die ganze Zeit damit beschäftigt ist, mich zu bewundern, ist das zwar schön für mein Selbstwertgefühl; es hilft aber der Sache nicht, für die wir zusammensitzen.

Was ich hier sage, steht im Widerspruch zu etwas, was ich an anderer Stelle im Rahmen von Positiver Psychologie sage: „Macht es Euch schön! Schau, wie Du das Wohlbefinden und den sinnlichen Genuss in Deinen Teams steigern kannst!“. Ästhetik ist hierbei natürlich auch ein Thema. Ich habe für diese Ambiguität keine Lösung. Vertrau Deinem Bauchgefühl!
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6. Timeboxen bitte nur einsetzen, wo sie hinpassen

Im Agilen hat sich teilweise ein regelrechter Timeboxing-Wahn eingestellt. Da hat man einmal erlebt, für wie viel Disziplin eine Timebox sorgen kann und da setzt man es unreflektiert für alles ein, was es zu diskutieren gibt und teilweise auch noch mit völlig unrealistischen Zeiteinheiten. Das Instrument Timebox und die Dauer der Timebox müssen zum Thema passen, nicht umgekehrt. Wir haben im Team auch eine Zeit lang versucht, alles zu timeboxen. Und da wir immer viel zu besprechen haben, waren die Timeboxen pro Thema entsprechend „ehrgeizig“.

Wir glaubten, wir könnten über die Timeboxen die Disziplin und den Fokus in Diskussionen forcieren und effizienter vorankommen. Mitnichten!

Dieses Vorgehen hat dazu geführt, dass wir uns alle wahnsinnig unter Druck gefühlt haben, jede wollte nur ihren Beitrag loswerden, wir haben aufgehört, uns gegenseitig zuzuhören, es ist schlechte Stimmung entstanden und ganz häufig haben wir die Timeboxen nicht geschafft. Da die Agenda jedes Mal viel zu voll war, wurde das Thema dann vertagt. Beim nächsten Mal fing die Diskussion natürlich wieder von vorne an. Manche Themen haben wir auf diese Weise über mehrere Monate nicht gelöst bekommen.

In Summe war dieses falsch angewendete Timeboxing für uns viel ineffizienter, als wenn wir uns jeweils gleich beim ersten Mal genügend Zeit genommen hätten. Ganz zu schweigen davon, wie es einem am Ende eines solchen Meetings geht, wenn man das Gefühl hat, mit seiner Sicht nicht durchgedrungen zu sein, man wiedermal nichts entschieden hat und in schlechter Stimmung auseinandergeht. Tatsächlich war nicht unbedingt mangelnde Disziplin das Thema in unseren Diskussionen, sondern die Vielfalt der Sichtweisen. Diese unter einen Hut zu bekommen, braucht einfach Zeit. Also schau drauf, ob und welches Problem Du im Team hast, und dann entscheide, ob Timeboxing wirklich die richtige Methodik ist.

Wir haben in Meinungsfindungsprozessen nahezu aufgehört, mit Timeboxen zu arbeiten. Wir haben unsere Agenda massiv entschlackt und in eine priorisierte Reihenfolge gebracht. Und jedes Thema dauert so lange, wie es dauert. Timeboxen funktionieren jedoch gut, wenn es darum geht, uns gegenseitig zu informieren. Das gibt der Inputgeberin eine Orientierung, in welcher Tiefe ihre Informationen benötigt werden.

7. Timeboxen ersetzen keine Moderation

Was wir in der Zeit, in der wir versucht haben, über Timeboxing schneller zu werden, auch noch falsch gemacht haben, ist, dem Irrglauben anzuhängen, ein Timetimer sei ein kleiner Plastik-Moderator – sprich: Es braucht keine Moderation, wenn man eine Timebox hat. So beschränkte sich die Tätigkeit der Moderatorin darauf, das Thema aufzurufen, die von ihr vorgegebene Timebox zu stellen und am Ende dann entweder hart abzubrechen oder den Timetimer einfach noch mal neu zu stellen. Das hat mit Moderation NICHTS zu tun und ist darüber hinaus ein krasses Missverständnis, was eine Timebox leisten kann. Du kommst als Moderator trotzdem nicht drum herum, die Diskussion zu visualisieren, immer wieder zusammenzufassen und die groben Linien herauszuarbeiten; Seitenthemen aufzunehmen, aber zu vertagen, Rückfragen zu stellen und Entscheidungen einzuleiten.

Wie Meetings Euch was bringen!

8. Jedes Meeting wird mit Ziel und Agenda eingeleitet

Gerade im agilen Kontext erlebe ich es immer wieder, wie Agile Master ihre Teams in die Regel-Meetings stolpern lassen. Nach dem Motto: „Haben die schon 100 Mal gemacht, die wissen, wie es geht.“ Und: „Ich fühle mich dabei auch irgendwie doof, denen am Anfang immer wieder das Gleiche zu erzählen.“ Das brauchst Du aber nicht!

Am Anfang noch mal Ziel und Agenda des Meetings aufzuzeigen, erfüllt auch den Zweck, alle noch einmal ankommen zu lassen und einzustimmen. Am besten auf einem während des Meetings durchgehend sichtbaren Medium visualisiert. Es fokussiert im Folgenden die Aufmerksamkeit. Und gibt Dir das Recht, bestimmte Diskussionen zu vertagen – im Sinne des Ziels und der Agenda. Darüber hinaus kannst Du Dich selbst immer noch mal an der Agenda entlanghangeln.

 

agenda notieren

9. Trenne die Phasen sauber voneinander

Mir fällt in Meetings immer wieder auf, wie die Diskussion von Thema zu Thema hüpft und zumindest mir zunehmend die Orientierung fehlt, worum es eigentlich gerade geht. Teilweise bleibt unklar, ob etwas beschlossen wurden und was. Ich kann nur dazu ermuntern, sich im Vorwege zu überlegen, wie der Diskussionsprozess im Hinblick auf das Meetingziel am besten gestaltet werden kann (so er nicht durch eine bewährte Standardagenda schon feststeht) und diese diszipliniert Schritt für Schritt durchzugehen. Das bedeutet auch, Beiträge bei Bedarf auf einen späteren Agendapunkt zu vertagen (hier kann man z. B. mit einem Themenspeicher Entlastung schaffen).

Die wichtigste Trennung in der Retrospektive und anderen Arten von Workshops, ist die Trennung zwischen sammeln, grob verstehen (Beiträge nur KURZ erklären lassen), gruppieren, priorisieren und dann erst in die Diskussion gehen. Und bei der Diskussion empfehle ich, ganz klar zu trennen zwischen Verstehen und Meinungen austauschen auf der einen Seite und Maßnahmen ableiten auf der anderen Seite.

Du wirst sehen, wie viel Effizienz und Klarheit dieses Vorgehen in die Meetings bringt und das Team wird sich nach und nach an diese Disziplin gewöhnen und sie von selbst an den Tag legen.

10. Weniger ist mehr

Was ich auch manchmal beobachte, ist den Ehrgeiz, alle gesammelten Themen besprechen zu wollen – was ein unmögliches Unterfangen werden kann, wenn mehrere Themen gesammelt wurden, aber nur 1,5 Stunden zur Verfügung stehen. Ich empfehle Dir, lieber mit dem Team eine absolute priorisierte Reihenfolge aufzustellen und mit dem wichtigsten Thema anzufangen, dieses ausreichend zu analysieren und Maßnahmen abzuleiten. Lieber ein Thema richtig bearbeiten und Maßnahmen ableiten, als alles anreißen und keine Entscheidung treffen.

Nur wenn dann noch genügend Zeit ist, ein weiteres Thema intensiv bearbeiten zu können, solltest Du dies tun. Sonst kann man auch mal früher Schluss machen.

teambesprechung

11. Erst einen Aspekt zu Ende diskutieren, bevor Du das nächste Fass aufmachst

Selbst wenn man es geschafft hat, die Phasen voneinander zu trennen, treten ja trotzdem in der Analysephase in der Regel nochmal Teilaspekte des Oberthemas auf. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass die Teams nicht miteinander diskutieren; jeder bringt nur seine eigenen Aspekte ein, ohne Bezug auf die Vorredner zu nehmen. Wenn Du das als Moderatorin zulässt, fehlt am Ende die Klarheit, wie das Team als Ganzes über die jeweiligen Teilaspekte denkt. Man ist nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen oder Maßnahmen abzuleiten.

Hier gilt: Ein Teilaspekt zu einer Zeit! Falls in der Diskussion schon weitere Aspekte genannt werden, kannst Du diese schon mal in einen Themenspeicher schreiben, damit sie nicht vergessen werden und der Inputgeber den Gedanken erstmal wieder loslassen und sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren kann. Dann gehst Du zurück zum aktuellen Teilaspekt und stellst die Rückfrage, was die anderen dazu denken. Hierbei hilft die Visualisierung der Hauptaussagen.

Spätestens wenn die Diskussion anfängt, sich im Kreis zu drehen (was eigentlich kaum geschehen sollte, wenn Du die Aussagen visualisierst), aber auf jeden Fall, wenn Du das Gefühl bekommst, dass alles dazu gesagt ist, solltest Du nochmal zusammenfassen und rückfragen, ob Du das richtig verstanden hast und ob noch etwas fehlt. Erst dann wende Dich dem nächsten Teilaspekt zu.

Am Ende ist es dann in der Regel ganz leicht, die richtigen Maßnahmen zu identifizieren.

12. Vereinbarungen sind o. k., Maßnahmen sind besser

Insbesondere in Retrospektiven muss am Ende geschaut werden, was man nun mit dem Salat anfängt. Und dafür öffnet man dann als Moderator ein frisches Flip-Chart und schreibt die nächsten Schritte mit, die das Team unternehmen will.

Aber Vorsicht! Hier werden häufig Äpfel mit Birnen vermengt. Da steht dann z. B. auf dem Flip-Chart, dass man ein Team-Event organisieren möchte – zusammen mit der Willensbekundung, dass man netter miteinander umgehen möchte. Ersteres ist eine konkrete Maßnahme, für die man Verantwortliche benennen und Fristen vereinbaren kann (und sollte). Letzteres ist eher eine Vereinbarung.

Hier müssen mehrere Dinge berücksichtigt werden:

Erstens: Maßnahmen haben einen klaren Endpunkt und können abgehakt werden, wenn sie umgesetzt wurden. Vereinbarungen sind überdauernder Natur und können nie so richtig auf „Done“ gesetzt werden. Daher habe ich in der Regel zwei verschiedene Charts dabei: Ein Chart für den Maßnahmenplan, das man irgendwann vernichten kann, wenn die Maßnahmen umgesetzt sind (hier eignen sich alternativ auch hervorragend Post-Its). Und ein Chart, das ich gegebenenfalls schon in vorherigen Retros angefangen habe – mit den überdauernden Vereinbarungen, die wir dann fortschreiben können. Beides hängt anschließend (wieder) im Teamraum aus.

Zweitens sollte bei den Vereinbarungen geschaut werden, ob man ein paar konkrete Maßnahmen dazu ableiten kann, um ihnen mehr Nachhaltigkeit zu geben. Wenn das Team also sagt, es möchte gerne darauf achten, netter miteinander umzugehen, dann schreibst Du das zwar auf das Vereinbarungs-Chart, aber Du solltest auch fragen, wie das Team das anstellen will. Und da fallen dann hoffentlich noch ein paar Maßnahmen für das Maßnahmen-Chart bei ab.

13. Halte Vereinbarungen nach

Nach und nach summieren sich die Dinge, die in Teams vereinbart werden. Dein Job ist es, diese Vereinbarungen nachzuhalten. Ein Weg, der sich für mich bewährt hat, ist, die Vereinbarungen zu trennen in Themen, die nur für ein bestimmtes Meeting relevant sind und allgemeine Vereinbarungen. Diese habe ich dann jeweils getrennt auf Flip-Charts gebracht und ebenfalls zu Beginn des Meetings aufgehängt und bin sie noch mal durchgegangen. Die allgemeinen Themen habe ich wiederum zu allen Meetings dabeigehabt.

Experimente wagen

14. Schlage vor, ein Experiment statt einer Maßnahme zu machen

Manchmal streiten sich die Geister, ob man eine bestimmte Maßnahme umsetzen sollte oder nicht; ob sie einen Nutzen erzeugt oder nur zusätzlicher Ballast sein wird usw. Hier handelt es sich offenbar um eine komplexe Fragestellung, bei der man nicht vorhersehen kann, wie sich die Umsetzung des Vorschlags auswirken wird. Da es vertane Liebesmüh ist, sich weiter im Kreis zu drehen, schlag dem Team vor, die Maßnahme als Experiment umzusetzen. D. h. das Team setzt sie mit allen Konsequenzen um und in einem angemessenen Zeitraum wird die Retrospektive dazu genutzt zu reflektieren, ob das Experiment den erwarteten Nutzen erbracht hat, weiterentwickelt oder wieder abgeschafft werden muss. Vereinbare gleich, welcher der kommenden Retrospektiv-Termine genutzt werden soll und trag ihn Dir in den Kalender ein. Mit der Haltung, bei komplexen Fragestellungen in Experimenten statt in fixen Maßnahmen zu denken, förderst Du zudem eine gewisse Lockerheit und Offenheit, die wir im komplexen Kontext auch für unser sonstiges Geschäft benötigen.

Haltung, bitte!

15. Keine Tricks und Von-hinten-durchs-Knie-ins-Auge-Aktionen. Sei lauter und transparent

Als Psychologiestudenten haben wir früher immer ein wenig skeptisch auf die Pädagogen geschaut. Die Psychologen nahmen für sich in Anspruch, die Welt ganz wertneutral verstehen zu wollen, während die Pädagogen immer „etwas wollten“ und an Menschen mit versteckten Tricks rummanipulierten – so zumindest unser damaliges nicht sehr respektvolles Feindbild. Aber von der Vorgehensweise begegnet mir so etwas ähnliches heute manchmal bei Agile Mastern.

Da stellt man eine Frage extra schwammig, um möglichst viele aus der Runde „abzuhängen“, damit man nicht so viele Antworten bekommt und Zeit verliert. Oder man stellt eine Frage extra sehr spezifisch, auch wenn man schon damit rechnet, dass die Teilnehmer darüber hinaus Antworten zu dem Thema allgemein geben werden. Dadurch will man daran erinnern, was die spezifische Ausprägung dieses Themas ist.

Hör lieber auf damit! Das geht sowieso nach hinten los und ist unredlich. Sei transparent mit dem, was Du willst; gib Kontext und steure dann eher über die richtige Methodik. Wenn Du z. B. die Anzahl der Antworten eingrenzen willst, setz eine Timebox oder gib jedem nur ein Post-It.

16. Mach transparent, was Du mitschreibst

Manchmal beobachte ich, dass die Gruppe diskutiert und die Moderatorin ganz versunken, still und leise für sich auf Post-Its mitschreibt. Das macht jedoch nur Sinn, wenn die Gruppe die Themen dann auch an der Wand hat und nutzen kann. Außerdem muss man sich als Moderatorin immer rückversichern, ob man den Inhalt richtig verstanden und richtig ausgedrückt hat. Auf diese Weise verlangsamen wir die Diskussion ganz bewusst, helfen zu strukturieren und die Anzahl der Beiträge zu reduzieren, die das Gleiche sagen.

 

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17. Die Moderatorin ist idealerweise nicht Teil des Systems bzw. steht sehr am Rande

Meine kleine Geschichte in der ersten Folge dieser Blogreihe über unsere Probleme mit dem Timeboxing und der mangelnden Fähigkeit, Grundsätze in der Zusammenarbeit auf uns selbst anzuwenden, illustriert auch hervorragend, dass man sich nur schwer aus eigenen Ressourcen heraus moderieren kann. Denn wenn man Teil des Systems ist, merkt man zwar, dass etwas falsch läuft, aber man erkennt eventuell nicht, was es ist. Wenn Du also das Gefühl hast, dass es nicht so gut läuft in Deinem Team mit den Meetings, es aber nicht zu fassen bekommst: Tausch doch einfach mal Teams mit Deinen Kollegen. Falls es keine Tauschmöglichkeiten gibt, hast Du vielleicht die Chance, eine Externe dazuzuholen, die außerhalb des Systems steht.

18. Halte Dich inhaltlich raus, bleib neutral, überlass der Gruppe die Bewertung und Lösung

Auch manchmal als Folge davon, dass Moderatorinnen direkt aus dem Team bestimmt werden, erlebe ich es immer wieder, dass sie sich in die Diskussion mit ihrer Meinung einmischen, Aussagen und Vorschläge werten, eigene Aussagen und Bewertungen beisteuern. Vielleicht hast Du als Moderatorin auch mal Wissen, dass Du teilen solltest. Und normalerweise kann man das auch mal machen, gegebenenfalls bezahlst Du dafür aber einen Preis:

Insbesondere wenn Du die Führungskraft bist oder warst, wird der Kulturveränderungsprozess zur Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme durch das Team verlangsamt. Und Du wirst auch selbst merken, dass es ein Rollenbruch ist, mitzudiskutieren. Im schlimmsten Fall erntest Du Passivität, im besten Fall erzeugst Du Widerstand im Team.

Zumindest wirst Du in die Diskussion reingesogen und gerätst gegebenenfalls auch noch in eine Verteidigungsposition, was die Fronten im Team verschärft, weil plötzlich die Moderatorin fehlt, die eigentlich dazwischen vermitteln soll. Im allerblödesten Fall stehst Du plötzlich allein gegen die Teammeinung, wodurch Du Dich als Moderatorin ebenfalls gerade ad absurdum geführt hast (ist mir auch alles schon passiert). Insofern solltest Du etwaige inhaltliche Beteiligung genau abwägen und von vornherein sagen, dass Du Deinen Input nur zur Verfügung stellst, aber das Team entscheidet, ob der Beitrag relevant ist.

 

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19. Stell nur Fragen, bei denen Du mit den Antworten umgehen kannst …

Ein heikles Thema für viele sind Beziehungs- und Emotionsthemen. Kaum jemand ist darin geschult, diese zu erkennen, geschweige denn, damit umzugehen. Lange genug haben wir in menschlichen Silos gearbeitet, und da waren die Animositäten zwischen den Kollegen meistens ziemlich egal.

Nun finden wir uns im Team wieder, und es wird von uns erwartet, wirklich im Team zu arbeiten und dann auch noch selbstorganisiert … Da sind weder die Teams noch die Agile Master daran gewöhnt, geschweige denn mit dem nötigen Handwerkszeug ausgestattet, mit Konflikten und negativen Emotionen umzugehen. Daher meine Empfehlung: Stell am Anfang nur „sichere“ Fragen, bei denen Du die Hoffnung haben kannst, dass emotional halbwegs neutrale oder sogar positive Antworten gegeben werden.

Fang an, Dich mit Konfliktmediation, Gewaltfreier Kommunikation und Kognitiver Psychologie auseinanderzusetzen, sodass Du – wenn sich die Büchse der Pandora mal öffnet – mit den Folgen umgehen bzw. irgendwann die „Emo-Themen“ bewusst unter dem Teppich hervorholen kannst. – Denn falls es diese gibt, müssen sie irgendwann bearbeitet werden, wenn Du das Team zu einem Hochleistungsteam entwickeln willst.

Und: Beziehungsklärung immer vor Sachklärung! Falls Du es gleich zu Beginn mit heißen Themen zu tun hast, noch bevor Du die Kompetenz im Umgang damit aufbauen konntest, hol Dir von außen Hilfe!

20. Lass Dich nicht unter Druck setzen: Die Dinge haben eine natürlich benötigte Zeit

Ich bin selten in einer Retro unter 1,5 Stunden fertig geworden. Ich erlebe aber Agile Master, die sich total von dem Frust in den Teams, nicht so viel in Meetings sitzen zu wollen (weil das ja keine Arbeitszeit sei …) unter Druck setzen lassen und die eingestellte Meetingzeit, z. T. im vorauseilenden Gehorsam, immer weiter reduzieren. Retro nur noch eine Stunde, dann nur noch eine halbe Stunde, Refinement wöchentlich nur noch eine halbe Stunde, Daily nur noch zweimal die Woche usw. Das führt jedoch dazu, dass die Meetings immer oberflächlicher werden.

Damit erzeugen sie einen immer geringeren Nutzen und werden dadurch naturgemäß noch stärker hinterfragt. Also schau genau drauf, welches Thema wie viel Zeit kostet, wenn man es richtig machen will (die Timebox muss zum Thema passen und nicht umgekehrt, siehe mein erster Blogbeitrag) – und dann zieh es durch!  – Die Diskussionen müssen eh geführt werden und die Zeit ist nur auf dem Papier gespart, wenn man die Meetings kürzt.

21. Bei emotionaler Kritik an der Methode, höre aktiv zu, anstatt Dich zu rechtfertigen

Falls Du Dich ungerechtfertigten, mit einer gewissen Emotionalität vorgetragenen Angriffen bezüglich Deines Vorgehens ausgesetzt siehst, ist es meist nicht sehr hilfreich, sich zu erklären oder Ratschläge zu erteilen. Damit machst Du nur Fronten auf. Fühl Dich in solchen Situationen in den Kritiker ein. Spiegel ihm, dass Du seine Gefühle und Bedürfnisse wahrnimmst. Z. B. könntest Du ihm folgende Interpretation anbieten: „Du bist ungeduldig. Dir ist es sehr wichtig, das Thema schnell und effizient zu lösen.“ Mach damit so lange weiter, bis seine Emotionen langsam abebben.

Biete an, im Nachgang seine Vorschläge zum Verfahren anzuhören und frag ihn, ob er sich für dieses Mal trotzdem auf Dein Vorgehen einlassen kann. In der Regel bringen Methodendiskussionen in der großen Runde nicht viel und frustrieren das Team eher.

Achtung: Es geht nicht darum, seine Methode um jeden Preis durchzuboxen. Letztendlich geht es um das Ziel, das Du erreichen möchtest. Wenn Du auf die Ebene der Ziele und Bedürfnisse mit Deinem Kritiker kommst erweiterst Du damit enorm den Lösungsraum und ihr werdet bestimmt zu konstruktiven Vereinbarungen und Experimenten gelangen.

Wie Du Fragen in der Moderation richtig stellst und führst

22. Du bist KEIN Alleinunterhalter – form follows function

Wenn man sich die vielen kreativen Methoden und Spiele anschaut, die die agile Welt für Retrospektiven und Seminare entwickelt hat, kann man als Agile Master ganz schön eingeschüchtert werden.

Man bekommt den Eindruck, insbesondere in der Retrospektive jedes Mal etwas anderes machen zu müssen. Und dass es möglichst spaßig sein muss. Grundsätzlich ist es gut, wenn die Teams Spaß haben. Aber es ist NICHT Deine Rolle, als Alleinunterhalterin zu fungieren. Am Ende geht es um die Sache; Vorgehen und Methode müssen dem Inhalt folgen.

Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn Du in der Hauptsache mit einer Standardmethode vorgehst. Im Gegenteil, denn dann können sich die Teams schon viel besser im Vorwege „seelisch“ auf die Retro vorbereiten und sich Antworten zurechtlegen. Die Routine, die die Teams entwickeln, erleichtert Dir dann nach und nach auch die Moderation. Gleichwohl solltest Du natürlich immer schauen, wo das Team in seiner Entwicklung steht und was es gerade am dringendsten benötigt. Dann ist es eben mal nicht die klassische Retro, sondern z. B. ein Teamwerte-Workshop, eine Feedbackrunde oder eine Skill-Matrix-Entwicklung.

23. Achtung: Erinnerungen vermengen sich. Fasse Themen gegebenenfalls zusammen

Manchmal beobachte ich in Retrospektiven, dass Agile Master eine sehr detaillierte Agenda bauen und z. B. erst Feedback zum Planning und danach zum Refinement einholen und besprechen wollen. Hier passiert es jedoch häufig, dass die Teammitglieder ihre Erinnerungen bei so nah beieinanderliegenden Themen gar nicht mehr genau zuordnen können. Und ehe man sich versieht, hat man schon bei dem Agendapunkt „Planning“ Antworten an der Wand, die sich mal auf das eine Meetingsformat, mal auf das andere beziehen und im „schlimmsten“ Fall sogar auf noch ganz andere, gar nicht im Fokus stehende Meetings.

Ich finde es gut, Retros unter ein bestimmtes Motto zu stellen. Versuch aber ein Gefühl dafür zu entwickeln, was Du dem Team an Differenziertheit zumuten kannst. Und wenn Du Dich tatsächlich entscheidest, z. B. die Meetings in einer Retro getrennt voneinander bewerten zu lassen, dann mach die Sammlung wenigstens zeitgleich. So werden die Teilnehmer nochmal „gezwungen“, ihr Feedback zuzuordnen. Sie neigen sonst dazu, gleich alles zum ersten Punkt loswerden zu wollen.


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24. Stell allgemeinere Fragen in der Retro und in Workshops.

Manchmal sind die Fragen viel zu spezifisch, die in Retrospektiven gestellt werden. Sie sind kaum noch als offene Fragen zu erkennen, sondern gleichen eher einer Skalierungsfrage in einem Fragebogen. Wie z. B. „Wie findet Ihr, dass wir jetzt am Anfang im Planning vom PO ein strategisches Update bekommen?“, „Was haltet Ihr davon, dass wir jetzt im Planning erstmal die Kapazitäten für den nächsten Sprint zusammentragen?“ usw. Das führt zu wenig fruchtbaren Diskussionen. Ruf zwar das Planning als Retro-Thema aus, aber bleib bei Deinen Fragen allgemein, sodass Du Raum lässt für das, was das Team dazu bewegt. Mit „Was findet Ihr gut?“ und „Was würdet Ihr Euch noch wünschen?“ gelangt Ihr zu einer deutlich interessanteren Diskussion.


Falls Du Sorge hast, dass den Teammitgliedern in dem Moment gar nicht so präsent ist, was Ihr alles neu eingebaut habt und wozu Du eigentlich gerne ein Feedback hättest, nutze nicht den Weg, sie mit diesen engen Fragen durchzuführen. Geh stattdessen das Planning am Anfang einfach nochmal durch und weise auf die besonderen Aspekte hin, die Du interessant findest. Dann hat das Team die Freiheit, gegebenenfalls auch ganz andere Dinge zu betonen, auf die Du alleine gar nicht gekommen wärst.

25. Die Verantwortung bleibt beim Team

Leider beobachte ich es immer wieder, dass ganz viel diskutiert wird in den Retros, ganz viele Meinungen und Wünsche geäußert wurden, die sich im schlimmsten Fall noch widersprechen, man nicht zu einem Ende gekommen ist und der Agile Master dann sagt: „O. k., ich nehme das dann mal mit und überleg mir was …“ Puhhhh. Also mich würde das überfordern.

Wie soll ich armes Würmchen jetzt aus diesem Chaos etwas stricken, um die Situation zu verbessern? Da habe ich mir eine Verantwortung genommen, die ich gar nicht erfüllen kann und die auch GAR NICHT MEIN JOB ist. Im Gegenteil. Nicht nur, dass Du das Team aus der Verantwortung lässt, sich um sein Schicksal zu kümmern. Nein, Du machst Dich im schlimmsten Fall sogar zum Sündenbock, auf den man seinen Frust schieben kann, wenn die Maßnahme für einen selbst nicht „gefunzt“ hat, und förderst die Jammerhaltung.

Ich würde lieber fragen, ob es möglich ist, das Meeting zu verlängern. Wenn nicht, organisiere ein Anschlussmeeting, gegebenenfalls nur mit den Interessierten aus der Runde.

26. Wenn Du eine Frage gestellt hast, bist Du nicht die Nächste, die spricht. Hab Geduld

Früher bin ich häufig in die Falle getappt, einer Frage, die ich gestellt habe, entweder sofort eine Erklärung nachzuschieben oder mir die Antwort selbst zu geben, wenn nicht sofort eine Erwiderung aus der Gruppe kam.

Das ist total kontraproduktiv.

Du kannst nicht erwarten, dass die Teammitglieder sofort lossprudeln, wenn Du eine Frage gestellt hast. Du hast einen Gedankenprozess angestoßen, der gegebenenfalls etwas Zeit braucht und diese Zeit solltest Du dem Team auch geben. Wenn Du sofort weiterredest und Dir die Antwort im schlimmsten Fall sogar selbst gibst, unterbindest Du diesen gedanklichen Prozess, den Du ja eigentlich auslösen wolltest, sofort wieder. Und da wir die Teams in die Selbstorganisation und Selbstverwaltung bringen wollen, müssen wir die Stille aushalten. Die fühlt sich übrigens nur für uns Moderatoren so unangenehm an. Das Team ist ja in Gedanken versunken.

Erst wenn nach einer längeren Weile nichts kommt, kannst Du mal nachfragen, was den Kolleginnen durch den Kopf geht und ob sie die Frage verstanden haben.

HR Summit 031

27. Hör auf, Dich zu entschuldigen und um Erlaubnis zu fragen: Es ist Dein verdammter Job zu führen

Neue Agile Master sind häufig sehr unsicher in ihrer Rolle. Sie fragen ständig, ob das o. k. ist, jetzt so vorzugehen, rechtfertigen sich dafür, dass sie die Frage so stellen, wie sie sie stellen oder dass sie sie überhaupt stellen. Und stellen der Gruppe jedes Mal, wenn sie den nächsten Prozessschritt einleiten, anheim, ein anderes Vorgehen vorzuschlagen.

Hör auf damit und tu’s einfach!

Keine falsche Bescheidenheit: Es ist Dein verdammter Job, das Team durch den Prozess zu führen. Das ist eine der wenigen Verantwortungen, die wirklich bei Dir liegen und von der Du das Team entlasten sollst. Du hast die Methodenkompetenz. Du hast Dir im Vorwege Gedanken darüber gemacht, wie man ein Meetingziel Schritt für Schritt erreichen kann. – Das heißt nicht, dass Du verbohrt an Deinem Plan festhalten sollst. Wenn ein guter Vorschlag aus dem Team kommt, nimm ihn an. Aber frag nicht jedes Mal um Erlaubnis, Deinem Vorgehen zu folgen. Im besten Fall hast Du ohnehin am Anfang, nach der Vorstellung der Agenda, die Zustimmung des Teams dazu eingeholt.

28. Sorge dafür, in guter Stimmung zu starten und in guter Stimmung auseinanderzugehen

In positiver Stimmung sind wir kreativer, leistungsfähiger, offener und großzügiger miteinander. Sorge also insbesondere in Retrospektiven dafür, das Team in eine positive Stimmung zu bringen. Starte z. B. mit einer Frage, was das schönste Erlebnis für jeden Einzelnen in den letzten zwei Wochen war oder wofür man dankbar ist. Und schön wäre es natürlich auch, wenn das Team lieber beschwingt aus dem Meeting geht als bedrückt. Frage also beim Check-out z. B., worauf sich jeder freut.

Die Kür

29. Nutze das Warm-up für Teamentwicklung

Ich habe dazu auch gerade einen Blog-Beitrag geschrieben: Lass Dich nicht verleiten, der agilen Literatur zu folgen und das Warm-up für eine erste Einschätzung des letzten Sprints zu nutzen. Das tust Du in der Sammlung der Themen ja eh gleich. Nutze die Zeit lieber, um die Teamentwicklung voranzutreiben. Setz Spiele und Methoden ein, die Nähe fördern, Vertrauen aufbauen, die Stimmung heben oder die Humorschwelle senken und die Frustschwelle erhöhen.

30. Keine Angst vor der Analyse: Führe das Team zu einem tieferen Verständnis in seinen Diskussionen

Ich habe es immer wieder erlebt, dass Agile Master direkt in die Maßnahmenableitung springen – insbesondere in Retrospektiven von der Sammlung der Themen. Die Folge ist, dass beschlossene Maßnahmen nur Symptombekämpfungen und Kosmetik sind, aber substanziell nichts verändern. Auf die Dauer führt das zu Frust in den Teams und Kritik an Retrospektiven. Da sie ja eh nichts brächten, könne man sich die Zeit sparen …

Hilfreich ist hier sicherlich, die Retro von vornherein einem bestimmten Thema zu widmen (z. B. „Unser Task Board“). Oder sich, wie schon beschrieben, auf weniger Aspekte zu konzentrieren, und diese richtig zu besprechen, anstatt alles abarbeiten zu wollen. Die Frage scheint für viele jedoch zu sein, wie man dieses „richtig besprechen“ zustande bringt.

Ein Schema, das sich für sehr viele Fragestellungen bewährt, ist ein Vier-Felder-Schema mit folgenden vier Fragen:

  • Was sind unsere Probleme im Einzelnen?
  • Was hat sich bewährt?
  • Woran würden wir erkennen, dass das Thema optimal läuft?
  • Welche nächsten Schritte sollten wir tun?

Achte darauf, dass das Team insbesondere bei den ersten drei Fragen in die Tiefe geht. Frage immer wieder: „Was steckt dahinter? … Und was steckt da dahinter?“ oder „Was noch?“. Nutze auch zirkuläre Fragen für die Zukunftsvision wie: „Woran würden es die anderen Teams erkennen?“ oder „Woran würde unsere Führungsebene erkennen, dass es jetzt optimal läuft?“ usw. Danach sollten sich die nächsten Schritte eigentlich wie von selbst ergeben.

 

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31. Beziehe auch die Stillen ein

Man stellt eine Frage oder gibt eine Aufgabe.

Stille.

Und dann, endlich – man erhält eine Antwort!

Die Stille ist durchbrochen, wir stürzen uns glücklich darauf, nehmen es gleich als Teammeinung hin und gehen weiter zum nächsten Thema. Böser Fehler!

Achte darauf, immer wieder auch die Kollegen einzubeziehen, die sich nicht sofort zu Wort melden, die sich nicht von sich aus einbringen. Sonst kommen die Themen, an die Du schon glaubtest, einen Haken gemacht zu haben, später in der Diskussion erneut hoch und werden wieder aufgemacht. Oder die vereinbarte Umsetzung von Maßnahmen im Nachgang bleibt aus.

Schweigen ist nicht immer Zustimmung!

32. Störungen haben Vorrang

Noch ein Fehler, den wir in unserem Timeboxing-Wahn gemacht haben, war, Störungen zu unterdrücken. Wir hatten ja keine Zeit!

So sind wir nur noch mehr in den Teufelskreis gekommen: Die zu enge Timebox hat zu Beziehungsstörungen geführt, diese konnten aufgrund der Timebox nicht bearbeitet werden, was zu noch weniger Achtsamkeit im Umgang miteinander und somit noch häufigeren Störungen geführt hat usw. So hatten wir eine Zeit in unserem Team, in der wir immer weniger Lust hatten, zu den internen Meetings zu kommen. Dabei hätten wir es eigentlich am Besten wissen sollen: Beziehungsklärung vor Sachklärung!

Störungen können aber auch banalerer Natur sein, wie Hunger, Pausenbedürfnis oder kurzes „Abgehängtsein“ bei einem Thema. Wichtig ist, dass Du sie wahrnimmst – bzw. den Raum gibst, sich bemerkbar zu machen, wenn man eine Störung hat – und diese bearbeitest! So lautet eine der wichtigsten Regeln aus der Themenzentrierten Interaktion: „Störungen haben Vorrang!“.

33. Gib Meinungsfragen an die Runde zurück

Wie schon besprochen, kann es etwas „hakelig“ werden, wenn wir uns als Moderatoren inhaltlich einmischen. Manchmal ist es aber auch umgekehrt: Nicht die Moderatorin ist diejenige, die sich aktiv inhaltlich einmischt, sondern das Team versucht, die Moderatorin in die Diskussion zu ziehen. Gegebenenfalls auch im Sinne von „auf die eigene Seite ziehen“. Auch dabei solltest Du aus den gleichen Gründen auf der Hut sein, wie schon beim vorherigen Tipp. Du kannst aber einfach die Frage an die Runde zurückgeben: „Was denkt Ihr dazu?“.

34. Es ist KEIN Bloßstellen oder Fingerpointing, wenn Du dem Team den Spiegel vorhältst: Verbalisieren und Moderieren sind Deine Kernaufgaben

Wenn ich mit manchen Agile Mastern darüber spreche, Dinge im Team z. B. in einer Retrospektive aktiv zu thematisieren, nehme ich häufig ein gewisses Zögern wahr. Man wolle ja kein Fingerpointing betreiben oder jemanden bloßstellen. Das ist ein großes Missverständnis. Denn einer Einzelperson vor versammelter Mannschaft Feedback zu geben, ist nicht gemeint. Definitiv Dein Job ist es aber, dem Team als Ganzes einen Spiegel vorzuhalten. D. h. ganz neutral Deine Beobachtungen zum Umgang miteinander und der Selbstorganisation im Team zu teilen.

Hier kannst Du auch Hypothesen zur Auswirkung auf Gefühle, Gedanken und Verhalten von Teammitgliedern aufstellen, die Du natürlich als Vermutungen kenntlich machst, oder Widersprüche zu vereinbarten Werten und Prinzipien aufzeigen.

Und dann fragst Du das Team, wie sie das empfinden und ob sie daran etwas verändern wollen. Wenn sie das anders empfinden als Du und nichts daran machen wollen, musst Du das akzeptieren. Du kannst es aber gegebenenfalls später anlassbezogen wieder einbringen.

 

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35. Schmeiß den Rest weg – was wichtig ist, kommt wieder.

Häufig beobachte ich, dass alles, was gesammelt, aber nicht bearbeitet wurde, immer wieder mitgenommen, irgendwo eingepflegt und immer wieder durchgegangen wird. Man baut sich einen regelrechten Verwaltungsakt der offenen Themen auf. Ein agiles Prinzip lautet: Schmeiß weg! Was wichtig ist, kommt wieder!

AutorInnen dieses Beitrags
Jennifer Rolle
Management Consultant

Seit 2016 verstärkt Jenni das HR Pioneers Team und bringt ihre Expertise vornehmlich in der Begleitung von agilen Transformationen, Agile Leadership, Begleitung von agilen Teams und Schulung verschiedener agiler Rollen ein.


1 Kommentar

  1. Der Beitrag zum Thema Moderation ist sehr hilfreich. Ich wollte besser informiert sein, denn ich weiß sehr wenig darüber. Nachdem ich diesen Artikel gelesen habe, weiß ich genug über dieses Thema.

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