Wachstum ist Teil des Problems, nicht die Lösung

Sinnvoll wachsen? Eine Frage der Unternehmenskultur

rangizz – Wachstum
Lesedauer 4 Minuten

Bei HR Pioneers haben wir ein 2-tägiges Seminar zur Unternehmenskultur entwickelt, den „Culture Pioneer“. Wie das mit unserer Vision zusammenhängt und wie das den Unternehmen nützt, erläutert Marcus.

„Wir revolutionieren die Arbeitswelt, um das Zusammenleben in der Gesellschaft grundlegend zu verändern“, lautet der visionäre Beschluss der HR Pioneers. Denn irgendwo muss man ja anfangen. An der Arbeitswelt sind wir am nächsten dran und Unternehmen haben massiven Einfluss auf unsere globalen Verhältnisse. Leider oftmals nicht zu deren Gunsten.

Klingt das etwas zu groß? Finden wir nicht! Jeder kann im ersten Schritt bei sich selbst anfangen. Jeder kennt genug Beispiele und Zitate, wo eine kleine Ursache eine große Wirkung hatte. Und: Jeder hat Einfluss auf die Kultur im eigenen Unternehmen.

Sinn von Wachstum?

Meist geht es um Wachstum um jeden Preis. Aber immer mehr Menschen fangen an, diesen Kurs zu hinterfragen. Sie wollen wissen: Was ist der Sinn dahinter?

Und das ist letztendlich auch ein Grund, warum immer mehr Menschen agil arbeiten (wollen). Agilität in Unternehmen ist kein Selbstzweck, sondern dient nicht zuletzt einer eigenverantwortlichen Arbeitsweise, die stark sinnorientiert ist.

Was ein Mensch als sinnvoll erlebt, ist individuell. Das gilt auch für die Sinnausrichtung von Organisationen. Gemein ist ihnen jedoch, dass wir den Blick nach außen lenken müssen, um uns mit der Sinnhaftigkeit unseres Tuns zu beschäftigen. Denn wie wir immer wieder feststellen dürfen: Wir sind alle miteinander verbunden und voneinander abhängig.

Wir kriegen Feedback

Auch Wirtschaft ist kein isolierter Kreislauf, sondern eingebettet in das ökologische und soziale Gesamtsystem. Lange haben wir die Augen verschlossen gehalten, aber mittlerweile sehen wir immer häufiger: Umwelt und Gesellschaft kommen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Wetterextreme, Mikroplastik und immer mehr Menschen am Boden der Fußgängerzonen sind nicht mehr zu ignorieren. Wie ist es um unsere natürlichen und gesellschaftlichen Ressourcen bestellt? Sauberes Wasser und saubere Luft, fruchtbare Böden – Vertrauen, Akzeptanz, Toleranz …?

Wir zerstören unsere Existenzgrundlagen

Wir zerstören unsere Existenzgrundlagen, unsere Menschlichkeit, unsere Würde und Integrität.

Als Kollektiv produzieren wir Ergebnisse, die individuell niemand will.

Bisher wird Wachstum häufig als Lösung verkauft, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir mit unserer Lebens- und Wirtschaftsweise gerade 1,5 Planeten verbrauchen, aber nur einen haben, ist klar, dass Wachstum vielmehr Teil des Problems und nicht der Lösung ist.

In der Natur ist alles auf Wachstum ausgerichtet – vorübergehend. Genauso wie Reife, Ernte und Energie für Neues, Weitergehendes.

Gar nicht zu wachsen, wäre also auch eine durchweg unnatürliche Geschichte. Die Frage ist doch vielmehr: Was soll wachsen? Mit welchen Zielgrößen? Und vor allem: wozu?

Es wäre also sinnvoll (!), sich als Organisation von der irgendwann mal (warum eigentlich?) gewählten Zielgröße „Wachstum“ zu emanzipieren. Die Organisation so zu gestalten, dass sie unabhängig von Wachstum gesund und stabil ist. Wenn niedrige Wachstumsraten bereits als Krise gewertet werden, kann das Ganze nur in eine äußerst ungesunde Richtung abdriften.

„The business of business – is business”?

Das hieß es lange. Der Wandel ist im jetzigen Wirtschaftssystem, in dem wir Gewinne aus Ressourcenverbrauch privatisieren, Schäden aber sozialisieren, nicht mit übermäßig großen Anreizen versehen. Dennoch kommt er langsam in Gang, die gesellschaftliche Legitimation dafür erodiert.

Welchem Zweck sich Organisationen auch verschreiben möchten – hilfreich bei der (Weiter-) Entwicklung ist vor allem der Blick auf ihren Beitrag zu einem funktionierenden Gesamtkreislauf, nicht auf die „Konkurrenz“. Es geht darum, die Grundlagen unseres Wirtschaftens zu hegen und zu pflegen – sowohl im ökologischen als auch im sozialen Sinn.

Klingt altruistisch? Nicht wirklich. Denn wenn wir ehrlich sind, rettet das einfach nur unsere Haut. In der Gemengelage, in der an immer mehr Stellen die roten Alarmlampen blinken, steckt unbestreitbar auch ein handfester wirtschaftlicher Mehrwert darin, die Grundlagen unseres Wirtschaftens zu erhalten.

Aber der Nutzen geht darüber hinaus: Wie oft höre und lese ich von Visionen wie „Wir sind der führende Anbieter für …“. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber Größe und Wachstum als Selbstzweck? Welche ungeheuren kreativen Potenziale der Menschen – Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten – bleiben dabei ungenutzt! Welche gestalterische Energie! Auf wieviel Orientierung wird damit verzichtet!

Eine offene und tiefgehende Diskussion in Organisationen über den Sinn ihres Handelns ist eine große und nachhaltige Investition in ihre Zukunft. Und es ist keine reine Frage der Strategie. Wie wir von Peter Drucker wissen, wird die Strategie ja sowieso von der Kultur bereits zum Frühstück verzehrt.

Sind wir also auch bei diesem Thema wie so oft bei einem irgendwie erforderlichen Kulturwandel angelangt. Na toll!

Spüren, nicht nur nachdenken

Kulturthemen sind naturgemäß schwierig greifbar und eine aktive Entwicklung der Kultur ein hartes Brot. Die Idee für das „Culture Pioneer“ Seminar wurde aber genau daraus geboren. Wir schaffen den Raum, diese Themen auf intuitive, vielleicht ungewohnte Weise sichtbar und bearbeitbar zu machen. Eben zu spüren, nicht nur nachzudenken.

Es geht darum, „Kopf, Herz und Hand“ für die Wahrnehmung von Kulturmustern und der unbewussten Grundannahmen in der Organisation zu sensibilisieren. Es geht darum Tools zu erleben, mit denen wir Unternehmenskultur entwickeln können, Musterbrecher, die dann auch leicht und schnell anwendbar sein können. Und nicht zuletzt geht es darum, die eigene Prägung zu reflektieren, um damit die eigene Wirksamkeit zu stärken.

Die TeilnehmerInnen werden konkrete Maßnahmen für ihre Entwicklungsarbeit aus den zwei Tagen gewinnen. Vermutlich aber noch viel mehr.


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