Command and Control? Gibt’s das wirklich?

Command and Control
Lesedauer 3 Minuten

Als ich das erste mal den Begriff „Command and Control“ hörte und dies durchaus als Vorwurf an klassische Unternehmen gerichtet war, empfand ich das als sehr überzogen. Ich kam gerade aus so einem klassischen Unternehmen und hatte nicht das Gefühl, dass dort mit Command and Control, Weisung und Kontrolle, gearbeitet wurde. Vor meinem inneren Auge formte sich ein schwarz-weiß Bild von einem autokratischen Führer, der auf einem Podest hinter einem riesigen Schreibtisch sitzend wachsam und streng auf seine an Pulten im Stehen arbeitenden Mitarbeiter herabschaute, die vor Angst gebeugt emsig über ihrer Arbeit hingen.

Heute sehe ich das mit anderen Augen: Zwar sind in meinen früheren Unternehmen die Führungskräfte nicht drohend durch die Reihen ihrer Mitarbeiter marschiert, die sich vor ihnen verbeugt haben. Aber wenn man mal darauf schaut, wie unsere Unternehmen auch heute noch gebaut sind, dann verstehe ich in der Zwischenzeit, was gemeint ist mit Command and Control. Und dabei bin ich mir nicht mal sicher, ob dies bewusst geschieht oder ob es einfach daran liegt, dass wir gar nichts anderes kennen.

Welche Rolle spielt die Hierarchie?

So basieren unsere Unternehmen streng genommen auch heute noch auf Misstrauen, was eine Command and Control-Logik notwendig macht. Es wird eine Hierarchie installiert, die unter anderem mal dafür da war die Mitarbeiter beherrschbar, kontrollierbar zu machen. Auf die Führungspositionen setzt man Mitarbeiter, denen man vertraut. Da es aber zu viele sind, dass man sie selbst alle unter Kontrolle behalten könnte, zieht man eine weitere Führungsebene ein und so weiter.

Die meisten internen Instrumente und Prozesse werden in der Folge über die Hierarchie gespielt: Aufgaben, Projekte werden über die Hierarchie im Unternehmen verteilt. Berichtswege gehen über die Hierarchie. Urlaub, Bestellungen, Reiseanträge, Reisekostenabrechnungen und noch vieles mehr müssen von Führungskräften freigegeben werden. Zielvereinbarungen, Incentivierungen, Leistungsbeurteilungen, Entwicklungsvereinbarungen führen die Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern durch.

Regeln und Kontrolle

Und diese Prozesse werden gestützt von Regeln über Regeln: 60-seitige Reisekostenrichtlinien, 1000-seitige Handbücher zum Qualitätsmanagement, 40-seitige Dienstwagenrichtlinien. Am Ende handelt es sich bei alle dem um eine Command and Control-Logik: Das Unternehmen schreibt einem in allen Details die Arbeitsaufgaben vor, wie man sich zu verhalten hat und kontrolliert, ob man das auch alles so tut, wie vorgegeben.

Nicht nur Führungskräfte auch ganze Abteilungen werden dafür vorgehalten, die Mitarbeiter zu kontrollieren. Ausgabestellen für Kabel und anderes IT-Zubehör, die Buch darüber führen, wer welches Material bekommen hat und dass auch ja nichts „verschwindet“. Reisekostenabrechner, die kontrollieren, ob Du auch ja nicht zu viel für das Hotel ausgegeben hast. Personaler, die wiederum die Führungskräfte kontrollieren, ob die schon die vorgeschriebenen Jahresgespräche geführt haben. Controller, die permanent die wirtschaftlichen Soll-Ist-Kennzahlen von den Abteilungen vergleichen. Die Kommunikationsabteilung, die jeden Artikel von einem Mitarbeiter kontrolliert, bevor er ins Intranet gebracht wird und verhindert, dass selbstgesteuerte Social Media-Tools eingeführt werden. Der Einkauf, der bestimmt, was und wer und zu welchen Konditionen eingekauft wird usw.

Führungsphilosophie oder Unternehmensstruktur?

Und, ja, wir hatten damals tolle Führungskräfte bei uns im Unternehmen. Aber am Ende hing es sehr stark davon ab, wie mutig, wie vertrauensvoll oder schlicht, wie überlastet sie waren, wie stark sie die Command and Control-Logik, zu der sie systembedingt gezwungen gewesen wären, gelebt haben. – Denn das System war definitiv genau darauf ausgerichtet. Insofern verstehe ich den Begriff heute nicht mehr als Führungsphilosophie einzelner Führungskräfte, sondern eher im Sinne, wie unsere Unternehmen gebaut sind.

Und überhaupt, wenn ich jetzt mal so darüber nachdenke: Wir haben unsere Führungskräfte tatsächlich sogar ganz aktiv nach einer völlig konträren Führungsphilosophie ausgebildet. Bei uns standen Transformationale Führung, die Führungskraft als Coach, Personal Mastery usw. auf dem Lehrplan. Und gleichzeitig haben wir sie systembedingt zu Command and Control gezwungen. Da kann man als Führungskraft eigentlich nur schizophren oder depressiv werden. Vielleicht auch ein Grund für die hohen Burnout-Raten in den Führungsetagen…

AutorInnen dieses Beitrags
Jennifer Rolle
Management Consultant

Seit 2016 verstärkt Jenni das HR Pioneers Team und bringt ihre Expertise vornehmlich in der Begleitung von agilen Transformationen, Agile Leadership, Begleitung von agilen Teams und Schulung verschiedener agiler Rollen ein.


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