Ich lese zur Zeit mit großem Interesse das Buch von Frederic Laloux – Reinventing Organizations und möchte heute im Groben beschreiben, wie selbstgeführte Teams mit Konflikten umgehen. Zur Zeit sind die Begriffe evolutionäre und agile Organisationen wieder sehr im Gespräch. Agilität ist eine Haltung, ein Verhalten und orientiert sich am agilen Manifest (Gloger und Margetich, 2014, S. 5). Werte, Prinzipien und Praktiken helfen uns, unsere Haltung und unser Verhalten anzupassen. Evolutionäre Organisationen sind Organisationen, die sich ständig weiter entwickeln und sich mit den aktuellen Gegebenheiten verändern.
Frederic Laloux (2015, S. 43f) beschreibt evolutionäre Organisationen als eine Evolution des Bewusstsein zu komplexen, verfeinerten Verhaltensweisen und Beziehungsformen. In evolutionären und in agilen Organisationen finden wir selbstorganisierte und selbstführende Teams. Da, wo Menschen miteinander zu tun haben, gibt es auch Konflikte.
Was ist ein Konflikt?
Konflikte sind nicht zwingend negativ. Richtig verstanden und mit der richtigen Einstellung zu Konflikten, können diese einen echten Schwung und Schub in die Teamarbeit geben. Ein Konflikt laut Duden ist das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen o. Ä., eine entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann oder eine mit kriegerischen Mitteln ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Gegnern, oder Zwiespalt und Widerstreit aufgrund innerer Probleme.
Synonyme dafür sind: Auseinandersetzung, Spannung, Streit, Uneinigkeit, Verstimmung; (gehoben) Hader, Zerwürfnis, Zwietracht, Zwist[igkeit]; (bildungssprachlich) Disharmonie, Kontroverse.
Selbstführende Teams
Selbstführende Teams haben keinen Vorgesetzten oder Manager, der sie betreut. In hierarchischen Organisationen (und damit auch Aufbauorganisationen) gibt es immer einen Vorgesetzten und damit in den meisten Fällen auch einen Eskalationsweg, um Konflikte zu lösen. Selbstführende Teams haben kein mittleres Management, keine Personalabteilung, kein Vertrieb & Marketing, keine Finanzabteilung oder ähnliches. Das Team trägt die Verantwortung für alle Aufgaben, die vorher in der Abteilungen verteilt waren. Dazu gehören auch Neueinstellungen, Gehälter sowie Kündigungen. Was bleibt, sind juristische Fragen.
Frederic Laloux schreibt, dass Selbstführung die Art und Weise ist, wie sich das Leben in der Welt seit Milliarden von Jahren entfaltet. Selbstorganisation ist die Lebenskraft der Welt, die sich an der Grenze zum Chaos entfaltet, wobei nur so viel Ordnung aufrechterhalten wird, dass diese Lebensenergie eine Struktur erhält, durch die sie fließen kann. Der Begriff Selbstmanagement bezeichnet die Kompetenz, die eigene persönliche und berufliche Entwicklung weitestgehend unabhängig von äußeren Einflüssen zu gestalten. Dazu gehören Teilkompetenzen wie zum Beispiel selbständige Motivation, Zielsetzung, Planung, Organisation, Lernfähigkeit und Erfolgskontrolle durch Feedback.
6 Grundregeln, um Selbstführung anwendbar zu machen
-
Selbstführende Teams sind nicht größer als zwölf Mitarbeiter. Wenn ein Team größer wird, teilt sich das Team auf.
-
Alle Aufgaben sollen im Team aufgeteilt werden. Es sollten nicht zu viele Aufgaben in einer Hand liegen, dadurch kommt eine Form der herkömmlichen Hierarchie durch die Hintertür ins Team.
-
Neben den Teambesprechungen sollten in regelmäßigen Abständen Beratertreffen organisiert werden. Berater (ohne wirtschaftliche Verantwortung und Managementautorität) sind meistens erfahrene Kollegen, die nicht im Team arbeiten und mehrere Teams betreuen. Dadurch können spezielle Fragen besprochen werden und alle Mitarbeiter lernen voneinander (Gruppencoaching)
-
Die Teammitglieder beurteilen sich jedes Jahr selbst über selbsterarbeitete Kompetenzmodelle.
-
Jahrespläne für Initiativen werden ebenfalls von den Teams entworfen. Dazu gehören Messen, Fortbildung und andere Themen.
-
Die Teams treffen wichtige Entscheidungen auf Grundlage von bestimmten Entscheidungsprozessen/Methoden.
Erwähnenswert ist auch der Entscheidungsprozess. Generell kann jeder Mitarbeiter in einem Team eine wichtige Entscheidung treffen. Allerdings muss der Mitarbeiter darauf achten, welche Personen/Kollegen davon betroffen sind. Die Entscheidung darf erst dann getroffen werden, wenn sich der Mitarbeiter von den Personen/Kollegen einen Ratschlag hat geben lassen. Somit sind alle informiert und einer Entscheidung steht nichts mehr im Weg.
Wie gehen selbstführende Organisationen mit Konflikten um?
Konflikte werden oft überdeckt und haben in herkömmlichen Organisationen keine Praktiken der Konfliktlösung. Oft entstehen Konflikte, die einfach nur ausgesessen werden. Leider erlebe ich das allzu oft. Die Folgen sind fatal. Die Kollegen schweigen sich an oder gehen sich ganz aus dem Weg. Wenn der Konflikt nicht aufgelöst wird, leiden alle darunter. Die Arbeitsleistung nimmt ab und die Stimmung im Team wird schlechter. Es bilden sich Gruppen, und als Team zusammen zu arbeiten wird von Tag zu Tag schwieriger.
4 Schritte, wie selbstgeführte Teams Konflikte lösen
Frederic Laloux schreibt dazu, dass, was auch immer das Thema sein mag, der Prozess immer damit beginnt, dass ein Mitarbeiter den anderen bittet, zu einer Übereinkunft zu kommen.
-
Als erstes setzen sich beide zusammen und versuchen, das Problem unter sich zu lösen. Der Initiator muss eine klare Bitte aussprechen – keine Wertung oder Forderung. Der andere muss klar auf die Anfrage mit „ja“, „nein“ oder einem Gegenvorschlag antworteten.
-
Wenn keine Lösung gefunden wird, dann nominieren sie einen Kollegen, dem beide vertrauen, als Vermittler. Der Kollege unterstützt die beiden Konfliktparteien darin, eine Übereinkunft zu finden. Er selbst darf keine Lösung vorschlagen.
-
Wenn die Vermittlung fehlschlägt, versammelt sich ein Gremium von Kollegen, die von dem Thema betroffen sind. Auch hier besteht die Rolle darin, zuzuhören und bei der Übereinkunft zu helfen. Das Gremium darf auch hier keine Entscheidung treffen oder eine Lösung vorschlagen. Allerdings hat das Gremium hier eine starke moralische Gewichtung, sodass eine Entscheidung möglich wird.
-
Im allerletzten Schritt kann der Geschäftsführer oder der Gründer zum Gremium hinzugezogen werden, um das moralische Gewicht des Gremium zu verstärken.
Am besten funktionieren solche Prozesse, wenn dies beim OnBoarding neuer Mitarbeiter trainiert wird. Ebenso helfen Kenntnisse in Konfliktlösung und Selbstreflexion.
Zeit für Stille und Reflexion
Gunter Dueck schreibt in seinem Buch „Schwarmdumm: So blöd sind wir nur gemeinsam“, dass wir oft gehetzt, gestresst, müde und dem Burnout nahe sind, nicht erreichbare Ziel anstreben und damit eine hohe Frustration in Kauf nehmen. Wer ständig 100 Prozent ausgelastet ist, hat keine Zeit für Stille und Reflexion. Wer A als erreichbares Ziel und B als unerreichbares Ziel im Fokus hat, der wird möglicherweise beides verlieren. Dabei wird sich meist zu 100 Prozent auf B fokussiert und A ausgeblendet. Also wird B als unerreichbares Ziel nicht erreicht und A hätte erreicht werden können, aber die „Deadline“ ist abgelaufen. Was für ein Pech!
Dabei hilft es, den Geist zu beruhigen und die Wahrheit aus einem tieferen Teil unseres Selbst hervorkommen zu lassen. Viele Menschen gehen zum Yoga, meditieren oder machen Gehmediation in der Natur und versuchen so, die Ruhe in den Alltag mit zu integrieren. Um Stille und Reflexion in Unternehmen zu fördern, helfen verschiedene Methoden: Regelmäßige Reflexionen in Großgruppen, Teamsupervision, kollegiale Beratung, individuelles Coaching oder, ganz einfach, Stille. Es gibt sogar Organisationen die extra einen Raum der Stille eingerichtet haben.
Fotos: Unsplash.de