Was soll das ganze Bullshit-Bingo?

Wording im agilen Business

Mensch mit Ballon
Lesedauer 2 Minuten

Was soll das ganze Bullshit-Bingo? Das habe ich mich gefragt, als ich neu herein kam ins agile Business! Wieso heißt meine To Do-Liste auf einmal Backlog? Wieso die Anforderungen oder Maßnahmen auf einmal User Stories? Wieso sollen wir unseren Jour Fixe auf einmal täglich und dann noch im Stehen machen? Wieso wird auf einmal zwischen komplex und kompliziert ein künstlicher Unterschied gemacht?

Ist Kanban nicht das gute alte Lean Management? Kaizen das frühere Inspect and Adapt? Und so weiter und so weiter… Scheinbar Altbekanntes bekam auf einmal einen neuen Namen und ich fühlte mich in der ersten Zeit etwas veräppelt: „Alter Wein in neuen Schläuchen!“ dachte ich mir. „Ist wohl nur so eine Marketingmasche, um sich einen hippen Anstrich zu geben. Eine echte Innovation ist es wohl nicht.“ Bis ich so nach und nach begriff, dass es so einfach doch nicht ist.

Warum brauchen wir neue Begriffe?

Mit der Zeit dämmerte mir, dass es sich doch um ziemlich andere Instrumente handelt, die einem helfen, sich nach völlig anderen Werten und Prinzipien zu organisieren. So ist z.B. ein Backlog nicht einfach eine To Do-Liste, sondern eine priorisierte Liste der umzusetzenden kleinstmöglichen Kundennutzeneinheiten – der User Stories. Während ich mich früher also daran orientiert habe, unreflektiert meine – irgendwelche – To Dos umzusetzen (und zwar alle 30 To Dos gleichzeitig), orientieren wir uns jetzt daran, fokussiert Kundennutzen zu erzeugen (einen nach dem anderen) und alles Überflüssige wegzulassen.

Und so hat sich auch für die anderen Instrumente und Begrifflichkeiten herausgestellt, dass sie auf den ersten Blick ähnliche Funktionen haben, auf den zweiten Blick aber in einem völlig anderen Kontext stehen und nach ganz anderen Werten und Prinzipien bedient werden. Insofern bin ich versöhnt mit den neuen Begrifflichkeiten und finde es in der Zwischenzeit sogar richtig, sie anders zu nennen, um deutlich zu machen, dass es kein „weiter so“ ist, sondern dass sie Teil einer völlig anderen Denkweise sind. Tja, und das Englischsprachige… das muss man bei einer internationalen Bewegung wohl in Kauf nehmen. Und seien wir doch einmal ehrlich: Jour Fixe und To Do sind auch keine deutschen Begriffe.

Was ist der Sinn dahinter?

So, und eigentlich wollte ich hier Schluss machen mit dem Artikel, aber ich fürchte, ich komme nicht umhin, noch anzuerkennen: Ja, die agile Philosophie beruht auf Erkenntnissen, die teils schon vor 50 Jahren und mehr erzielt wurden. Diese fanden aber leider nie oder nur zu geringen und aus dem Zusammenhang gerissenen Anteilen Eingang in die Managementlehre – da kann ich als Arbeits- und Organisationspsychologin mit Nebenfach Betriebswirtschaftslehre ein Lied von singen.

Insofern freue ich mich, dass heute z.B. die Theorie X und Theorie Y (Douglas McGregor) Anerkennung erfährt oder die Erkenntnisse zu Motivation, die wir über Jahrzehnte gesammelt haben, nun berücksichtigt werden. Also ja: Es ist eine neue Lehre mit neuen Instrumenten und Begrifflichkeiten, die aber auf Jahrzehnte alten Erkenntnissen beruht. Sie führt diese wunderbar zu einem neuen Gesamtkonstrukt zusammen, das uns jetzt dabei hilft, in einer komplexer werdenden Welt zurecht zu kommen.

 

Foto: Unsplash.de (Andrew Worley)

AutorInnen dieses Beitrags
Jennifer Rolle
Management Consultant

Seit 2016 verstärkt Jenni das HR Pioneers Team und bringt ihre Expertise vornehmlich in der Begleitung von agilen Transformationen, Agile Leadership, Begleitung von agilen Teams und Schulung verschiedener agiler Rollen ein.


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