HR neu denken – nur wie? Impulse für den Weg zum agilen Management

Lesedauer 14 Minuten

Um das Schlagwort Agilität wird derzeit ein großer Hype gemacht. Lange wurde Agilität nur mit IT und Softwareentwicklung verbunden. Jetzt taucht der Begriff immer häufiger und in vielen unterschiedlichen Bereichen auf. Im ersten Teil unserer neuen Blog-Serie „HR neu denken – nur wie? Impulse für den Weg zum agilen Management“ erklären wir, warum klassische Managementprinzipien ihre Wirkung verlieren.

Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte beschreiben steigende nicht mehr beherrschbare Komplexitäten, sich verändernde Marktregeln und Unternehmen, die sich kontinuierlich rasend schnell anpassen können müssen. Wer in diesen chaotischen Zeiten bestehen und den Wandel aktiv beherrschen will, muss kontinuierliches Lernen und dynamisches Anpassen als Teil seiner Unternehmens-DNA entwickeln. Gefordert wird mehr Agilität von Unternehmen, Management, Führungskräften, Mitarbeitern und mehr und mehr auch vom HR Bereich als Change Katalysator.

HR steht im Dilemma Aufgaben zu verantworten, die nur weit entfernt mit agilem Denken vereinbar scheinen: Payroll, administrative Prozesse rund um den Mitarbeiter-Lifecycle, einheitliche Vergütungs- und Zielvereinbarungssysteme, Datenschutz u.v.m. sind typische Beispiele für klassische HR Aufgaben. Obwohl die genannten HR Prozesse immer besser, schneller und ausgefeilter werden, verliert HR in vielen Unternehmen mehr und mehr an Bedeutung. Wie soll man aber bei solchen Themen auch agil Denken oder gar agil Handeln?

Auf der anderen Seite steigen die Anforderungen an HR in vielen neuen Themenfeldern massiv an. HR als Kulturträger, als Change Agent für Veränderungsprojekte, als “Feelgood-Beauftragter“ für Mitarbeiterzufriedenheit etc. Das alles unter Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Effizienzversprechen.

Geht das überhaupt? Ich behaupte ja. Wenn sich die Rahmenbedingungen verändern, dann müssen sich eben auch die Spieler, die Spielregeln und die möglichen Spielutensilien anpassen. Charles Darwin hat gesagt: „Nicht die stärkste Art überlebt, und auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die es am bestehen versteht, auf Veränderungen zu reagieren“. Und genau darum geht es bei der Agilität. Probieren, Anpassen, Fehler machen, Lernen und zwar so schnell wie möglich.

Was bedeutet das für HR?

HR hat die Chance sich heute neu aufzustellen. Es geht nicht darum sich neu zu erfinden, sondern die richtige Weiterentwicklung in Angriff zu nehmen. HR als maßgebliche Gestalter moderner Arbeitswelten und werteorientierter Unternehmenskulturen. Dafür benötigt HR neue Führungs- und HR-Instrumente, ein neues Selbstverständnis und Führungskräfte, die ihre neue Führungsverantwortung vollumfänglich übernehmen.

Die Welt steht Kopf

Clay Shirky: „Institutionen sind stets bestrebt, das Problem zu verewigen, zu dessen Lösung sie geschaffen wurden.“

Wandel ist nötig oder klassische Managementprinzipien verlieren ihre Wirkung!

Irgendwann trifft es jedes Unternehmen: Die bisherigen Erfolgsmuster verlieren ihre Wirkungskraft. Wettbewerber sind plötzlich schneller, innovativer und haben ständig neue Ideen, um auf die Dynamik der Märkte schlagkräftiger zu reagieren. Wie finden Organisationen heute Antworten auf steigenden Wettbewerbsdruck, immer kürzer werdende Innovationszyklen und stetig komplexer werdende Entscheidungsprozesse und Fragestellungen? Wie werden Veränderungsprozesse nachhaltig erfolgreich und das in Zeiten, in denen Mitarbeiter das Wort Change nicht mehr hören können und wollen, Right Potential immer seltener werden und eine junge Generation mit neuem Wertesystem das zukünftige Arbeitsleben prägen wird?

In Anlehnung an Stephen Denning (the LEADER´S GUIDE to Radical Management) beschreibt das folgende Bild die in der Breite immer noch vorherrschenden Managementprinzipien:

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Und diese klassischen Managementprinzipien führen zusammengefasst zu:

  • Starren Hierarchien mit zu langen top-down-Entscheidungswegen und enormen “costs of delay“
  • Organisationsstrukturen mit ausgeprägtem Silo-Denken in denen Abteilungen mehr mit sich selbst und mit der Einhaltung von Regeln als mit dem Kunden und seinen Bedürfnissen beschäftigt sind
  • Führungskräften, die noch immer das veraltete „command- and control“-Spiel leben können
  • Personalabteilungen, die in ihrer alten Dienstleistungsmentalität stecken bleiben dürfen und als Business Partner lediglich den Titel geändert haben und damit im Ergebnis noch immer, und das zu Recht, zu wenig Anerkennung finden

Worüber wir heute diskutieren müssen, um Unternehmen in der Erfolgsspur zu halten, sind tiefgreifende strukturelle, prozessuale und kulturelle Veränderungen in den Unternehmen. Aufgrund der heutigen Komplexität reicht es nicht mehr aus, nur an der Oberfläche zu kratzen oder halbherzige Änderungsimpulse zu setzen. Veraltete Management- und HR-Ansätze sind abzulegen und müssen neu gedacht werden.

Die schöne neue Arbeitswelt ist People Business. Mit immer weniger Köpfen, muss immer mehr geleistet werden.  Und das bedeutet, dass jeder Mitarbeiter mit seinem Wissen, seinen Erfahrungen und seiner Motivation eine spielentscheidende Rolle einnimmt. HR hat die Verantwortung effektive Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Führungskräfte mit den richtigen Führungs- und Personalinstrumenten inspirierend Führen und jeder Mitarbeiter sich mit all seinem Können und Wollen selbstverantwortlich einbringen kann. Dabei darf sich HR nicht mehr nur auf die klassischen HR-Themen zurückziehen. Der HR-Bereich muss zukünftig mit seiner generalistischen und mitarbeiterbezogenen Sichtweise stärker in die Führungsrolle gehen und die notwendigen Veränderungsprozesse aktiv einfordern und umsetzen.

Agilität ist die neue Sicherheit oder der Kunde ist der neue Boss!

Agile Management-Frameworks wie Scrum oder Kanban stammen aus der Produktion sowie der Softwareentwicklung und geben eine erprobte und kontinuierlich weiterentwickelte Best-Practice-Prozessstruktur vor, die schnell eingeführt und erfolgreich umgesetzt werden kann. Sie sind eine Antwort auf die immer komplexer werdenden Anforderungen, bedeuten gleichzeitig aber auch, sich von vielen bekannten Vorgehensmodellen und alten Glaubenssätzen zu verabschieden.

Agile Unternehmen können daran erkannt werden, dass sie sich u. a. von hierarchisch geprägten Organisationsstrukturen in Richtung Netzwerkstrukturen bewegen.

Dabei richten sich agile Unternehmen bei allen strukturellen und prozessualen Entscheidungen vollständig an den Produkten bzw. am Kunden aus. Sie denken alle Prozesse end-to-end konsequent aus der Sicht des Kunden. Agile Unternehmen haben dabei verstanden, dass radikale Kundenorientierung einhergeht mit radikaler Mitarbeiterorientierung. Die Grundlagen für diese Art der Zusammenarbeit sind konsequentes Vertrauen, vollständige Transparenz, offene Fehlerkultur und disziplinierte sowie leidenschaftliche Selbstverantwortung. Wenn agile Managementansätze so konsequent zu Ende gedacht werden geht es v. a. um die Etablierung einer agilen Wertekultur, getragen von neuen Führungs- und HR-Instrumenten bzw. einem neuen Führungsselbstverständnisses.  Agilität ist damit am Ende v. a. eine Frage von Einstellung und Haltung wie Denning treffend bildlich zusammenfasst:

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Agile Managementansätze setzen neben einem ausgeprägten Wertesystem auf eine hohe flexible und dynamische Anpassungsfähigkeit, d.h. auf schnelles Reagieren bei Veränderungen. Es geht um kurze überschaubare Planungs- und Umsetzungszyklen mit konkreten Ergebnissen (Prototyping), so dass sofortiges Anpassen auf veränderte Rahmenbedingungen möglich wird („inspect and adapt“). Fehler werden frühzeitig sichtbar und können bereits im Frühstadium korrigiert werden. Prioritäten werden regelmäßig hinterfragt und entsprechend des Wertbeitrages aus Kundensicht neu ausgerichtet. Darüber hinaus werden Kunden konsequent frühzeitig in die Produktplanung und Produktentwicklung eingebunden, so dass kontinuierliches Feedback sowie regelmäßiger Lerntransfer durch Reflexion prozessimmanent wird.

Agilität steht für iteratives Vorgehen, laterales Führen, interdisziplinäre und cross-funktionale Teamarbeit sowie organisierte Selbstverantwortung. Entscheidungsprozesse werden so ausgerichtet, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo das Wissen und nicht die disziplinarische Macht sitzt. Schnelles und verantwortungsvolles Handeln am Rand des Netzwerkes, direkt beim Kunden. Teamleistung vor Individualleistung. Verantwortung vor Funktionsbezeichnung. Vollständige Transparenz vor versteckter Geheimniskrämerei. Sinnstiftung vor Gewinnmaximierung. Selbstverantwortung vor Aufgabenübertragung. Selbstverpflichtung vor Fremdsteuerung. Dies sind nur einige der typischen Verhaltensmuster agiler Unternehmen. Wenn wir bei diesen Schlagworten genauer hinsehen, erkennen wir, dass es dabei v. a. um Menschen und um die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit geht.

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Leadership – Führung neu denken!

Warren Bennis: „Führung ohne gegenseitiges Vertrauen ist ein Widersprich in sich.“

Die Regeln haben sich verändert oder wer führt eigentlich wen

Die Gallup-Studien zeigen uns regelmäßig, dass Führungsverhalten bzw. die Qualität der direkten Führungskraft, das wichtigste Element für emotionale Bindung eines Mitarbeiters an das Unternehmen ist. Mitarbeiter wenden sich zuerst von der Führungskraft und dann vom Unternehmen ab. Und was geht das eigentlich HR an? Wer wählt Führungskräfte aus? Wer sorgt für die Qualität in den Führungs- und Führungsnachwuchsprogrammen? Wer ist vertrauensvoller Business Partner der Führungskräfte im Tagesgeschäft. Die Mitarbeiter der HR-Abteilung!

Sie wählen Führungskräfte aus, sorgen für Qualität von Führungsprogrammen und sind Sparringspartner im Tagesgeschäft. Dies bietet großartige Chancen für HR, Schritt für Schritt Führung neu auszurichten und ein neues angemesseneres Wertesystem bzw. ein neues Führung-Mindset zu entwickeln, zu fördern und zu etablieren.

Eine bestehende Führungs- und Unternehmenskultur kann man leider nicht kurzfristig verändern. Eine Kultur ist das Ergebnis tatsächlich gelebter Verhaltensweisen. Möchte man sie nachhaltig verändern, gibt es keine Abkürzung. Der Weg führt über die konsequente Änderung von Verhaltensweisen sowie über passende und unterstützende Personal- und Führungsinstrumente. Gewünschtes Verhalten muss konsequent, nachvollziehbar und sichtbar “honoriert“ und unerwünschtes konsequent “sanktioniert“ werden. Mit konsequentem (Führungs-)Vorbild voraus!

Ein solcher Veränderungsprozess gelingt nur über eine Mobilisierung einer breiten Mitarbeiterschaft. Letztendlich geht es um unternehmensinterne Demokratisierung von Entscheidungs- und Innovationsprozessen. Agile Managementansätze integrieren netzwerkartig das Wissen aller Beteiligten, v. a. der Personen, die nah am Markt sind und den Kunden am Besten verstehen. Da es für die Führungsmannschaft in immer komplexer werdenden Märkten immer unsicherer wird, langfristig das Richtige zu tun, ist es notwendig die Organisation und all ihr Wissen vollständig einzubeziehen. Wenn nur Führungskräfte sich berufen fühlen, Entscheidungen zu treffen, so werden sie mittelfristig zum “Bottleneck“.

In vielen Unternehmen gibt es bereits oder werden aktuell Fachlaufbahnen eingeführt. Aus agiler Sicht ist dies ein guter Ansatz Karriere neu zu denken. Kritisch darf aber gefragt werden: Brauchen wir wirklich noch mehr Fachlaufbahnen oder sollten wir beginnen Führungslaufbahnen mit „echten“ Führungskräften und nicht mit Fachexperten zu besetzen? Messen wir Fußballtrainer an der Anzahl ihrer selbst erzielten Freistosstore oder am Erfolg ihres Teams. Müssen die Trainer fitter und schneller als ihre Spieler sein oder stehen sie für den erarbeiteten Teamspirit und die eingespielten Automatismen. Selbst Spielen oder Rahmenbedingungen legen? Ich weiß wofür ich als Führungskraft und HR-Verantwortlicher stehen möchte.

Führung wird in agilen Unternehmen neu gedacht. Viele Führungsaufgaben werden dort von interdisziplinären Teams selbständig und selbstverantwortlich übernommen. Es gibt agile Unternehmen, die (fast) ohne Führungskräfte auskommen. Vieles wird direkt im Team entschieden. Transparenz und vollständige Information bilden dabei die Grundlage für diese neue Art der Selbstverantwortung.

Wird zum Beispiel Scrum eingeführt teilen sich Führungskraft, Scrum Master, Product Owner und das Team die klassische Führungsverantwortung. Der Product Owner verantwortet die Produktvision und damit das „WAS“ der Lösung. Das Team dagegen verantwortet die Umsetzung bzw. das „WIE“ der Lösung. Der Scrum Master übernimmt als laterale Führungskraft die Verantwortung für den Scrum-Prozess und für die Teamentwicklung.

In unseren Trainings hören wir hier häufig die Frage: “Welche Aufgaben habe ich dann als Führungskraft eigentlich noch?“ Oder: “Sind Führungskräfte dann überhaupt noch nötig?“ Ich meine ja, aber mit einem moderneren Führungsverständnis, passend zum agilen Werteverständnis und Menschenbild.

Selbstverantwortung oder  die Pyramide steht Kopf

Dadurch, dass im Rahmen von agilen Prozessen die operative Verantwortung konsequent in die Teams gegeben wird, haben Führungskräfte nun endlich den Auftrag nicht mehr nur „Vorgesetzt(er)“ zu sein sondern mit voller Kraft zu Führen.

In einem solchen Umfeld braucht es mehr Leadership und weniger Management, denn das Management übernehmen die Mitarbeiter einfach selbst. Die disziplinarische Führungskraft konzentriert sich auf die strategischen Themenfelder sowie die individuelle Mitarbeiterentwicklung. Die Führungskraft hat somit die Verantwortung den Mitarbeitern Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen in denen selbstorganisiertes und selbstgesteuertes Arbeiten möglich ist. Entscheidend für eine solch agile Führungs-Kultur ist das vorhandene Menschenbild in der Organisation. In einem agilen Umfeld wird Kontrolle durch Vertrauen ersetzt. Im Grunde stellt man die klassische Organisationspyramide auf den Kopf und ändert damit die typischen Arbeitsweisen sowie die Anforderung an die Mitarbeiter.

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Wenn Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung übernehmen sollen, müssen Führungskräfte parallel lernen, loslassen zu können. Damit tun sich häufig beide Seiten noch schwer. Die Führungskraft fühlt sich überflüssig, der Mitarbeiter überfordert. Wenn Führungskräfte Verantwortung und Freiheitsgrade an Teams und Mitarbeiter übergeben oder gar Führungskräfte „aus dem Spiel genommen“ werden, führt dies häufig nicht zu der erwarteten Glückseligkeit bei den Mitarbeitern. Vielfach entsteht zuerst Unsicherheit sowie Sorge davor, den gestiegenen Anforderungen nicht gerecht werden zu können und Angst davor Fehler zu machen. Da waren die alten Strukturen, in denen man auf die Entscheidung von oben warten konnte sicherer und risikofreier. Übergabe von Verantwortung sollte deshalb ein begleiteter Prozess sein, in dem Fehler als Lernmöglichkeit zugelassen werden.

Wie weit kann Selbstverantwortung gehen?

Es gibt heute Unternehmen in denen Mitarbeiter allein oder im Team konsultativ entscheiden wer zu welchem Seminar fährt, wie ein PE-Budget verteilt wird oder wie die eigene Gehaltserhöhung oder die der Kollegen dieses Jahr ausfallen wird. Mitarbeiter und damit Teams in diesen Reifegrad zu bekommen, ist eine spannende und herausfordernde HR- und Führungsaufgabe.

Führung wird im agilen Kontext als Dienstleistung am und für den Mitarbeiter verstanden. Führung neu zu denken sowie Führungskräfte systematisch zu inspirierenden Vorbildern zu entwickeln ist zukünftig eine noch zentralere Aufgabe von HR, um den Unternehmenserfolg langfristig sicher zu stellen. Mit den herkömmlichen Führungs- und Personalinstrumenten kommt man hier jedoch schnell an Grenzen.

Führungskräfte müssen weiterhin ihren Mitarbeitern Orientierung (Vision, Strategie und Ziele) sowie Werte vermitteln, sie dann aber “machen lassen“. Wenn Mitarbeiter lernen sollen eigenverantwortlich zu arbeiten, muss die Führungskraft parallel dazu lernen, loslassen zu können. Die Führungskraft hat die Verantwortung ihren Mitarbeitern Rahmenbedingungen zu bieten, in denen selbstorganisiertes und selbstgesteuertes Arbeiten möglich ist.

Nach einer internen Studie hat Google 8 Schlüsselqualitäten eines Leaders definiert:

  1. Sei ein guter Coach
  2. Befähige dein Team und kümmere dich dann nicht um jede Kleinigkeit
  3. Zeige Interesse am Erfolg und am Wohlergehen deiner Leute
  4. Sei produktiv und orientiere dich an Ergebnissen
  5. Sei ein guter Kommunikator und höre deinem Team zu
  6. Unterstütze deine Mitarbeiter in ihrer Karriereentwicklung
  7. Zeige eine klare Vision und eine nachvollziehbare Strategie
  8. Besitze die notwendigen fachlichen Fähigkeiten, um dein Team beraten zu können

Besser kann man Leadership kaum auf den Punkt bringen. Führung verstanden als Dienstleistung für den Mitarbeiter. Und es zeigt, dass Führung neu zu denken sowie Führungskräfte systematisch zu agilen Leadern zu entwickeln eine immens wichtige Aufgabe nachhaltiger HR-Arbeit ist.

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Personal- und Führungsinstrumente für Agile!

Drent, Volition, Rabbetts: „Organisations do not motivate people – it`s people in organisations that motivate people!“

HR muss neu gedacht werden oder weg von sinnentleerter Standardisierung

HR steht seit Jahren in der Kritik keine passenden Antworten auf die anstehenden Veränderungen zu haben. Und trotz ausgeklügelter Organisationsanpassungen (Business-Partner- oder Shared-Service-Ansätze), konzeptionell hochwertiger HR-Produkte und Instrumente sowie einer stetig stärkeren Ausrichtung am Business verbessert sich das Image von HR in den meisten Unternehmen nicht.

HR muss jetzt den Mut aufbringen, bestehende best practices im HR-Bereich komplett in Frage zu stellen und diese für ihr Unternehmen neu zu denken. Führungskräfte, Mitarbeiter und HR stehen vor Herausforderungen, die ihre tägliche Arbeit massiv verändern werden: Führungskräfte werden zu Talentbegleitern und „Netzwerkorganisatoren“, Mitarbeiter werden zu Mit-Unternehmern und Mit-Entscheidern und HR wird mehr und mehr zum Organisations- und Kulturentwickler. Ich werde in diesem Beitrag bewusst nicht über den Aufbau der “richtigen“ HR-Organisation sprechen, auch nicht über die “richtige“ HR-Strategie oder gar über die einzig „richtigen“ agilen HR-Instrumente. Es ist sicher, dass es nicht das eine Konzept gibt, dass für alle Unternehmen oder alle HR-Abteilung die richtige Lösung ist. Jedes Unternehmen braucht – je nach Reife- und Agilitätsgrad – sein individuell passendes Konzept und seine passenden Instrumente. Ich möchte mit diesen Beitrag Impulse und Anregungen für HR-Mitarbeiter und Führungskräfte liefern, um bestehende Personal- und Führungsinstrumente in Frage zu stellen und diese für ihr Unternehmen neu zu denken.

Agilität bedeutet u. a. mehr Freiraum, mehr Selbständigkeit und mehr Vertrauen. Gleichzeitig aber auch mehr Verantwortung, mehr Selbstorganisation und mehr Gruppendruck. Selbstverantwortung heißt vor allem vollumfänglich Verantwortung für sich selbst, für sein Team und für die Qualität gemeinsamer Ergebnisse zu übernehmen. Das ist nicht immer leicht, v. a. bedeutet es auch auf Mitarbeiterebene eine Änderung der persönlichen Einstellung und Handlungsweisen.

Mehr Verantwortung führt parallel zu höherer Unsicherheit. Wenn das “Dürfen“ in agilen Strukturen möglich ist, muss der Mitarbeiter jetzt “Wollen“ und “Können“. Das “Wollen“ setzen wir bei allen Mitarbeitern voraus, solange es nicht durch falsche Anreizsysteme oder demotivierende Führung verdrängt wird. Somit wird das “Können“ zentral, um Unsicherheit abzubauen. Lernprozesse zu begleiten wird in diesem Umfeld zu einer wichtigen HR- und Führungskompetenz. Dabei gilt es, Mitarbeiter in der Selbstverantwortung zu lassen. Employability ist in erster Linie Mitarbeiterverantwortung und Weiterentwicklung ist konsequent gedacht in erster Linie Mitarbeiteraufgabe. HR und Führungskräfte müssen diesen Prozess jedoch gezielt durch das Schaffen herausfordernder Situationen, in den Verhaltensweisen und Kompetenzen in geschützter Umgebung weiterentwickelt werden können, begleiten. HR und Führungskräfte coachen darüber hinaus Reflexionsphasen in denen Mitarbeiter out-of-the-box-Denken, Erfolg und Misserfolg selbst erkennen und Sinnhaftigkeit selbstständig entwickeln können.

Erfolgreiche Personalentwicklung erfolgt heute bereits agil. So gedacht erfolgt PE kontinuierlich, individualbezogen und orientiert sich am konkreten Bedarf. Das beschreibt agiles iteratives Vorgehen: Impulse durch Trainings, Webinare, Vorträge und begleitete Praxisphasen wechseln sich iterativ ab. Agile Personalentwicklung ist am Ende wie jeder agile Ansatz ein iterativ gesteuerter kontinuierlicher Lern- und Verbesserungsprozess. Das altbewährte Gießkannenprinzip der klassischen Personalentwicklung ist hierfür alles andere als ein Erfolgsmodell.

Ein schönes Beispiel für die notwendige Veränderung der Personal- und Führungsinstrumente ist der klassische Performance Management Prozess – mit Zielvereinbarung am Jahresbeginn sowie Zielerreichung und Leistungsbeurteilung am Jahresende. Führungskräfte und Mitarbeiter quälen sich jedes Jahr durch den Prozess, und haben eigentlich keine Lust dazu. Beide verstehen den Sinn und Zweck nicht mehr, denn häufig sind die Ziele auf Jahresbasis schon nach kurzer Zeit selten das Papier Wert, auf dem sie stehen. Dazu werden sie oft erst im April / Mai vereinbart und ändern sich anschließend schneller als sie angepasst werden können. Und am Ende liegt der Zielerreichungsgrad samt Bonus ohnehin bei allen Mitarbeitern in einem relativ engen Zielerreichungskorridor. Fast alle Mitarbeiter liegen zwischen 80% und 120% Zielerreichung.  Und wegen diesen 40% wird dieser enorme Aufwand betrieben. Ich lade gerne dazu ein, die Kosten dieses Prozesses gegenzurechnen. Und was macht HR? Für die Personalbereiche ist es einfach nur extrem viel Arbeit. HR kümmert sich in diesen Prozessen zwar liebevoll darum, dass die Gespräche geführt werden, aber sie kontrollieren in der Regel nur den Rücklauf und nicht die Qualität. Ich frage gerne: Wofür brauchen wir solche Personal- und Führungsinstrumente, die in der Realität ihren Zweck verfehlen und kaum eine Führungskraft oder einen Mitarbeiter glücklich machen?

In agilen Teams sind Ziele, Leistungsbewertung und Feedbackschleifen prozessimmanent. Überschaubare Planung (Sprints), Umsetzung von konkreten Ergebnissen (Reviews) und integrierten Lernprozessen (Retrospektiven) führen dazu, dass gesetzte Ziele und damit die tatsächliche Leistung transparent vom Auftraggeber und dem Team selbst bewertet werden können. Feedback in agilen Unternehmen ist ein täglicher Prozess an dem alle teilnehmen.  Feedback und Leistungsbewertung verliert in diesem Umfeld mittelfristig nicht nur sein anstrengendes und ängstigendes Potenzial, es wird sogar tragender Bestandteil eines dauerhaften Lernprozesses.

Individuelle Anreiz- und Bonussysteme wirken in diesem Umfeld kontraproduktiv. Unternehmen brauchen heute keine Anreiz- sondern Anerkennungssysteme, die Teamerfolge und individuelle Kompetenzentwicklung fördern. Die Neurowissenschaften zeigen seit längerem, dass typische Incentive-Modelle (Karotte gegen Leistung) zu einer Spirale führen, in dem am Ende nur der Wunsch nach immer mehr derselben Belohnung steht. In seiner ganzen Konsequenz bedeutet dies für HR: Hinterfragt die aktuellen Anreizsysteme und schafft sie ab! Erste Unternehmen gehen bereits erfolgreich diesen Weg.

Grundsätzlich möchte ich in Frage stellen, dass reine Standardisierung von HR Instrumenten weiterhin die Lösung ist. Unternehmen haben verstanden, dass Kundenorientierung und damit auch individuelle Kundenlösungen ein Erfolgsrezept ist. HR Instrumente sind bisher in der Regel jedoch für jede Führungskraft und jeden Mitarbeiter gleich. Aus HR-Prozesssicht sicherlich nachvollziehbar. Aus dem Blickwinkel von Mitarbeitern und Führungskräften möchte ich dies in Frage stellen. Ein solches Vorgehen spiegelt keine Gerechtigkeit wieder sondern Gleichmacherei. Gestandene Leader brauche aus meiner Sicht andere Tools als unerfahrene Führungskräfte. Und erst Recht die immer noch zahlreichen Fachexperten in Führungsrollen.

Neue Rolle HR oder Aufruf sonst Nachruf

Time for Change

Für HR bedeuten die bisher beschriebenen Veränderungen ganz neue Herausforderungen. Wenn Teams sich zukünftig Ziele selbst setzen und individuelle Leistung offen besprechen benötigt man Mitarbeiter mit einem hohen Reifegrad. Selbstverantwortung und Selbstorganisation in dieser Konsequenz muss begleitet werden, da in klassischen Unternehmen bisher die Führungskräfte die Verantwortung für Entscheidungen und Ergebnisse getragen haben. Jetzt ist HR als Experte für Team- und Mitarbeiterentwicklung gefragt, um Führungskräfte und Mitarbeiter in Richtung agiler Werte zu begleiten. Am Ende müssen wir jedoch verstehen dass nicht die Werkzeuge entscheidend sind. Den Unterschied machen die Personen die diese Werkzeuge einsetzen. Denn Führung ist in erster Linie eine Frage der Einstellung und Haltung und kann nicht durch Instrumente und Methoden ersetzt werden. HR steht damit einerseits in der Verantwortung die richtigen Werkzeuge anzubieten. Andererseits aber auch die richtigen Führungskräfte auszuwählen und zu befähigen. Viele HR-Mitarbeiter kennen die schlechten Führungskräfte in ihren Unternehmen. Jetzt gilt es diese entweder zu befähigen oder ihnen alternative Wege anzubieten. Wir stehen am Beginn eines Wettbewerbs der Kulturen und dieser ist am Ende nur mit Führungskräften mit einem positiven Menschenbild zu gewinnen.

Wie kann sich HR nun auf die agilen Herausforderungen vorbereiten? Informieren, vernetzen und in die agile Community eintauchen, d. h. sich das agile Wissen selbst und im Austausch mit anderen erarbeiten. Der Austausch ist wichtig, um von anderen zu lernen, aber auch um zu erkennen, dass man als HR Mitarbeiter mit diesen Themen und Herausforderungen nicht allein ist. Und dann das Gelernte einfach selbst ausprobieren: Im Sinne „inspect and adapt“ schrittweise ausprobieren und sich entwickeln. Das eine agile Kultur erfolgreich sein kann zeigen zahlreiche Unternehmen in verschiedensten Branchen wie Semco, Morning Star, DM-Drogeriemärkte oder whatever mobile,  um nur einige wenige zu nennen. Führen sie HR-Projekte agil durch, versuchen sie z. B. Kanban als Recruiting-Prozess, testen sie neue Feedbacksysteme usw. Es gibt eine Menge spannender agiler Tools zu entdecken.

optionen neuer weg - alter trott

Administratives Tagesgeschäft wie Lohn- und Gehaltsabrechnung, Vertragserstellung oder auch Betriebsratsmanagement muss heute „unsichtbar“ qualitativ hochwertig funktionieren. Integrierte Personal-Systeme und -Instrumente, die einfach sind, einen Kunden-Mehrwert schaffen und durch nachvollziehbare KPIs auch wirtschaftlich begründbar sind, werden vorausgesetzt. Das ist HR Basisarbeit.

Der Mehrwert von HR liegt zukünftig in den Feldern der Führungs- und Organisationsentwicklung

Hier bieten sich Chancen die Arbeitswelt der Zukunft durch neue Führungsmodelle, individualisierte Personalentwicklung und innovative Organisationsentwicklung mit zu prägen. Mit neuem Selbstverständnis wird HR zum unternehmerisch denkenden Mitgestalter der die Verantwortung für Veränderungs- und Kommunikationsprozesse übernimmt und damit einen wichtigen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens leistet. HR hat die Chance den Weg zu einem agilen Unternehmen mit den richtigen Führungs- und Personalinstrumenten, den geeigneten Karrieremodellen, den passenden Zielvereinbarungs- und Anerkennungssystemen maßgeblich mit zu beeinflussen und zu prägen.

Wenn es immer weniger Köpfe sind, mit denen wir immer mehr leisten wollen, dann brauchen wir in erster Linie einmal alle Köpfe. Das interne Potenzial gilt es vollständig zu aktivieren, denn individuelle Entwicklung aktiviert Unternehmensentwicklung. Wer Agilität will, muss aber auch sowohl den häufig produktiven als auch den teilweise harten Konflikt wollen. Gerade offener Austausch unterschiedlicher Sichtweisen, vollständige Transparenz und cross-funktionale Teams erhöhen den Kommunikationsbedarf. Aber genau hier liegt der großartige Nutzen einer lernenden agilen Organisation.

 

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Weiterführende Links:

– Gratis Download „eBook Agiles Change Management“
Motivation basiert auf (Selbst-)Vertrauen und ist deshalb Führungsaufgabe!


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